Die monumentale Ridinger

Johann Elias Ridinger, Schweinshatz (Ausschnitt)
Schabfolge Th. 1127-1130
im
Schwerdt-Exemplar
als
letztem + einzigem (?) Markt-Exemplar seit 1939
Bei zusätzlicher Verwurzelung beider Schwerdts
via Frankfurt am Main
in der crème de la crème der deutschen Klassik und Romantik
Johann Elias Ridinger
Ulm 1698 – Augsburg 1767
Folge von 4 Blatt. Schabkunstblätter von oder bei Johann Andreas Pfeffel I oder II (Bischoffingen/Altbreisach 1674 – Augsburg 1748 bzw. 1715 Augsburg 1768). Bezeichnet: Ioh(ann)(.) Elias(.) Ridinger pinx(it). / I. A. Pfeffel exc(ud[it])(.) Aug. Vind., ansonsten lat.-frz.-dt. wie nachfolgend. 49,9-50,5 × 73,1-73,8 cm (19⅝-19⅞ × 28¾-29 in).
Provenienz
C. F. G. R. Schwerdt
(1862 – 1939)
»Very rare. Brilliant impressions. Not in Gutmann’s catalogue.«
(Schwerdt III [1928], 147c + Tafeln 215 f.)
The Schwerdt Collection
Second Portion
Sotheby & Co., 21. Juni 1939, lot 996
Niemeyer, Ridinger Erlebnisse 1698-2020, 2021, S. 232 nebst Abb.
Thienemann 1127-30 (»Gute Arbeit«, 1856). – Nicht bei Schwarz (Katalog einer Ridinger-Sammlung [Sammlung Ritter von Gutmann], 2 Bde., 1910; Bd. II mit den »Thienemann und Stillfried unbekannte(n) Kupferstichen und Schabkunstblätter[n]«) und
fehlend denn auch in den für Ridinger unverzichtbaren
Sammlungs- und Verkaufskatalogen
wie ebenso in den von fundierten Katalogen begleiteten Retrospektiv-Ausstellungen.
Es kan das schüchtern Reh dem Todte nicht entfliehen
Wann schon daßelbige schnell auf den Füßen ist;
Wird es doch mehrentheils sich nur umsonst bemühen,
Weil es der Jäger gleich mit seiner Büchse schießt.
Längs einer Waldlichtung flieht ein Paar Rehe, während die beiden Jäger zur Rechten – einer knieend – soeben feuern.
Es wird dem wilden Schwein mit schießen und mit stechen,
Mit Hunden voller Hitz und Feuer nachgetracht,
Es sucht sein scharffer Zahn sich zwar gar offt zu rächen,
Doch, eh es sichs versieht, wird es in Todt gebracht.
Am Waldrand im Gebirge treiben fünf Hunde, deren einer dem Schwein im Nacken sitzt, den Keiler in vollem Lauf den beiden Jägern zu. Deren vorderer ihn mit der Saufeder erwartend, derweil der andere die Büchse angelegt hat. Ganz rechts hält ein dritter einen gestreiften Saurüden – vergleichbar dem Bärenbeißer Th. 1055 nach Art der Molosser aus dem Kolorierten Thier=Reich – mit Gewalt zurück.
Es wird der wilde Bär verfolget von den Hunden,
Und mancher wird von ihm sehr übel zugericht;
Doch hat er endlich bald selbst seinen Todt gefunden,
So fern ihn der Polack mit seinem Spieß ersticht.
In einer Höhle hat der Bär zwei Hunde gepackt und ist selbst von vier weiteren gefaßt oder gestellt, während einer der Jäger ihm schon den Spieß in die Seite sticht. Ein weiterer Jäger mit Spieß am Eingang der Höhle, ein dritter im Hintergrund das kurze Schwert ziehend.
Die Wachtel pfleget zwar die Einsamkeit zu lieben,
Und will mit ihrer Bruth in stiller Weÿde seÿn;
Doch von dem Wachtel=Hund wird sie bald aufgetrieben,
Und gehet in das Netz, eh sie es meint hinnein.
In offener gewellter Landschaft steht der gefleckte Hühnerhund vor der im Gras halb verborgenen Wachtel. Zwei Jagdknechte halten den Tyras zum Wurf bereit, der Jagdherr dahinter mit dem Habicht auf der Faust.
All dies denn nun bei wundervollem Hell-Dunkel
eingebettet in ins Auge stechenden adäquaten Landschaften .
Wie denn schon 1901 Ernst Welisch Ridinger als den unstreitig »bedeutendste[n] Augsburger Landschafter (seiner) Zeit (qualifizierte) … obzwar er hauptsächlich als Tiermaler bekannt ist«.
» Die Schwarzkunstblätter sind im Handel fast gar nicht mehr … zu bekommen …
(S)ämmtliche von und nach Joh. El. Ridinger gefertigte Schwarzkunstblätter (sind) so selten, dass sie fast nur in einigen öffentlichen, grossartigen Kupferstichcabineten zu finden sind «
konstatierte Thienemann bereits 1856 (Seiten VIII + 270, Sperrung nicht im Original). Denn – so der Praktiker von Sandrart 1675 – die empfindlichen geschabten Platten erlauben nur etwa »50 oder 60 saubere Abdrucke … Hernach aber schleift (das Bild) sich bald ab, weil es nicht tief ins Kupfer gehet«. Hier indes in
ganz einheitlich gleichmäßig tief-samtenen Qualitäten
wie für den Sammler vielfach so unerreichbar .
Hier zudem bei Blattformaten von 52,5-53,2 × 76,2-76,8 cm mit umlaufend 7-20 mm breitem weißen Papierrand sowie rückseitigem Bleistiftvermerk »Set (of) 4« nebst Chiffre auf allen vier Blättern sowie auf dem Schweinsblatt
» Very Fine / £ 12 17 0 «
wobei letztlich unerheblich ist, ob es dies das Ergebnis der Versteigerung 1939 ist – die Schätzung lag bei £ 4 – oder der nachfolgende Verkaufspreis eines der an diesem »Ausverkauf« (Kurt Lindner) beteiligten Händler.
Im umlaufenden weißen Papierrand verschiedene, meist professionell alt hinterlegte kleine Einrisse, von denen nur vereinzelte kaum bemerkbar noch ins Bild oder Textfeld reichen. Bildseits gleichfalls nicht wahrnehmbar eine vielleicht schon vom Druck herrührende gewisse rückseitige Knitterspurigkeit sowie ein größerer Wasserfleck im Randbereich des Rehblattes. Solchermaßen aber unverändert
von geradezu außerordentlich schöner Erhaltung
wie für diese Übergrößen ganz besonders erwähnenswert .
Und zugleich für die Provenienz stehend. Denn, so Kurt Lindner in seinen Erinnerungen an Carl Franz Georg Richard und Mathilde Schwerdt zum Nachdruck von Schwerdts Katalog Hunting, Hawking, Shooting (1985), S. IX, war für Schwerdt die Qualität, also der Erhaltungszustand, eines Objekts oberstes Kriterium:
» Schwerdt hat diesen Leitgedanken beim Zustandekommen seiner Sammlung im Vorwort zum ersten Band ausgedrückt und gerechtfertigt, aber der Leser seiner Worte wird die Tragweite dieser Äußerungen nicht erfassen …
» Ich wage heute zurückschauend zu sagen … daß er bei der herrlichen Graphik, die er in seinen Besitz brachte, Erhaltungszustand und Frische eines Blattes weit höher schätzte als das zur Darstellung gekommene Sujet … Schwerdt war ein Mann, der es liebte, sich mit erlesenstem Schmuck aus einem Gebiet seiner Neigung, der Jagd, zu umgeben. «
Und so bürgt die Provenienz für die Qualität und diese für die Provenienz .
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