Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich seÿ; die da herrschen über die Fische im Meer, und über die Vögel unter dem Him[m]el, und über das Vieh, und über die gantze Erde, und über alles Gewürme, das auf Erden kreucht. Gen. 1. 26.
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich seÿ
Das Paradies als die
Heimat der Menschheit
Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden, gegen dem morgen, und setzete den Menschen darein, den Er gemachet hatte. Gen. 2. 8.
Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden
Woher wir kommen — Wohin wir wieder streben
Johann Elias Ridinger (Ulm 1698 – Augsburg 1767). Das Paradies oder die Schöpfung und der Sündenfall des ersten Menschenpaares. Unnumerierte Folge von 12 unnumer. Blatt. Radierung mit Kupferstich. Nicht vor Ende 1740er – kaum vor 1765, doch nicht nach 1766. Bezeichnet: variierend Joh. El. Ridinger inv. fec. et excud. Aug. Vind. + dt.-franz.-lat. Untertext (erstere beide mit Genesis-Bezug, letzterer diesen ergänzend, siehe Blattabfolge und Stubbe). 38,5-40,2 × 53-54,9 cm (15⅛-15⅞ × 20⅞-21⅝ in). In bordeauxrot ausgeschlagener schwarzer Interims-Mappe mit drei Innenklappen nebst vier Schließbändern und Ldr.-Griff.
Thienemann + Schwarz (Abb. I, S. 106) 807-818; Weigel, Kunstlager-Catalog, XXVIII (1857), Rid.-App. 53A (Alte Abdrücke [Bütten/Linienpapier] von A-C); Schwerdt III, 144; Stubbe, Joh. El. Ridinger, 1966, 42 ff. + Tafel 35; Ridinger-Katalog Augsburg, 1967, 46-63 + Abb. 5; Biedermann, Meisterzeichnungen des Deutschen Barock, 1987, 163 mit 3 Abb.; KUNSTREICH, Erwerbungen (der originalen Kupfer-Druck-Platten) der Kunstsammlungen Augsburg 1990-2000, 102, SS. 198-201 mit 8 Abb.; Niemeyer, Ridinger Erlebnisse 1698-2020, 2021, SS. 134-141 mit 5 Abbildungen.
» Herr Ridingers merkwürdiges Werk ist :
das aus 12 großen Blättern bestehende Paradies
Und Gott der Herr gebot dem Menschen, und sprach: Du solt essen von allerleÿ Bäumen im Garten; Aber von dem Baum des Erkäntnisses gutes und böses solt du nicht essen. Denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben. Gen. 2. 16. 17.
Und Gott der Herr gebot dem Menschen, und sprach …
welches in der Zeichnung unnachahmlich ist «
(Augspurgisches Extra-Blätel Augspurgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. ökonomischen Neuigkeiten [so 1. Januar 1767] vom 29. Dezember 1767 – siehe unten – als Nebentitel der von Januar [?] 1687 bis 11. August 1935 bei variierenden Titeln erschienenen Augsburger Ordinari Post Zeitung, in der nicht zuletzt Katharina die Große [reg. 1762-1796] »die St. Petersburger Akademie auf der Suche nach guten Künstlern … mit Erfolg inserieren« ließ).
Eine zeitgenössische Wertung wie bis auf den heutigen Tag nicht besser auszudrücken, feiernd jene den vollkommensten Arbeiten – so Thienemann Seite 273 – zugehörende Capitalfolge (Weigel III [1836], 3839), zu der Thienemann (1856) schon Seite 168 ausführte:
» … gehört zu den grössten, aber auch ausserdem zu den berühmtesten Arbeiten … Hier konnte sich sein Genie auch in der Gruppierung der verschiedenartigsten Thiere, in Darstellung der schönsten Baumparthien und lieblichsten Gegenden recht auffallend zeigen. «
Und noch zu Lebzeiten des Meister’s heißt es in den dem einstigen Lehrer gewidmeten biographischen Aufzeichnungen des Malerkollegen Georg Christoph Kilian (1709-1781)
» wie reizend und theologisch sein Paradis. «
Und noch 130 Jahre später wird Rolf Biedermann, s. o., die Folge mit
» Sie zählt sicher
Den[n] als Gott der Herr gemachet hatte von der Erde allerleÿ Thier auf dem Felde, und allerleÿ Vögel unter dem Him[m]el, brachte Er sie zu dem Menschen, daß Er sähe, wie er sie nen[n]ete, den[n] wie der Mensch allerleÿ lebendige Thiere nen[n]en würde, so solten sie heissen. Gen. 2. 19. 20.
Den[n] als Gott der Herr gemachet hatte von der Erde allerleÿ Thier auf dem Felde …
zu seinen druckgraphischen Meisterleistungen «
qualifizieren und fortfahrend – nicht ganz zu Recht – reklamieren
» Wenn man davon ausgeht, daß Ridinger einer der wenigen deutschen Barockkünstler ist, der seit seinem Tod vor 220 Jahren nie in Vergessenheit geriet, dessen Tier- und Jagdschilderungen von Sammlern bis heute heiß begehrt, von Händlern hoch gehandelt werden, so überrascht die geringe Beachtung, die ihm die Kunstwissenschaft bislang entgegengebracht hat. «
Welch mageren Belegen für letzteres gleichwohl die eine und andere gewichtige Stimme hinzuzufügen wäre, wie etwa aus 1901 Ernst Welisch’s »unstreitig bedeutendste[r] Augsburger Landschafter [seiner] Zeit … obzwar er hauptsächlich als Tiermaler bekannt ist« oder aus 1966 Wolf Stubbe’s
» … so hat die künstlerische Gesamterscheinung Ridingers eigentlich nichts von einem ›Augsburger‹ Künstler und doch empfindet man ›Augsburg‹ als eine notwendige Voraussetzung für ihre Entwicklung … In diesen, seine eigentlichen bildnerischen Findungen nicht berührenden, Zügen ist Ridinger Augsburger, im übrigen haben seine graphischen Arbeiten kaum etwas gemein mit den dekorativ-ornamentalen Kupferstichen aus den Werkstätten in seiner Nachbarschaft. Völlig trennt er sich, was Inhalt und Auffassung angeht, von der ›offiziellen‹ Kunst der Stadt … «
[hiesiger Einschub: von der Ferdinand von Kobell als Malerkollege der nächsten Generation 1771 gegenüber Wille in Paris als von den »Insecten der Kupferstecherey [im] armseligen Augspurg« höhnt, beklagend, »daß in einem solchen Orth ein Ridinger – und Rugendas gelebet haben [müssen]« und 1772 Johann Caspar Füssli, Malerkollege und Künstlerbiograph der Ridinger-Generation selbst an ebenfalls Wille schreiben läßt »seiet dem ich Ridinger verlohren, finde ich keinen deutschen Freund [mehr] der sich um die Kunst bekümmert.«]
Da ließ Gott der Herr einen tieffen schlaf fallen auf den Menschen, und er entschlief. Und nahm seiner ribben eine, und schloß die stätte zu mit fleisch. Und Gott der Herr bauete ein Weib aus der ribbe, die Er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Gen. 2. 21. 22.
Da ließ Gott der Herr einen tieffen schlaf fallen auf den Menschen
» … Vor allem aber die rokokoheitere Lichtdurchschimmerung der ganzen weiten Szene auf dem eindrucksvollen Zeugnis von Ridingers reifer Stecherkunst [Th. 60, Der Hirsch stellt sich aus der Par force Jagd-Folge]! Es gehört sehr viel künstlerische Intelligenz dazu, diese ebenso zarte wie belebende Lichtwirkung zu erreichen. Mit ihr, wenn er es zu handhaben weiß, besitzt der Kupferstecher ein entscheidendes Mittel für einen der wesentlichsten Effekte, den die Kupferstichkunst überhaupt erreichen kann …
» … und begnügt sich [Ridinger’s] Zeichnung nicht mehr allein mit der statischen Erscheinung des Tieres. Eingeführt wird nämlich oder richtiger mit besonderem Nachdruck wird nunmehr sichtbar gemacht ein neues, höchst einprägsames Prinzip der Charakterisierung: Das Verhalten des Tieres in seinen verschiedenen Lebensphasen. Wenn er etwa Frischlinge, Überläufer, dreijährige Keiler und vierjährige Hundeschlager auf einem Blatt in Bewegung darstellt, so zeigt er die unterschiedlichen Bewegungen junger, reiferer und älterer Wildschweine [Th. 209] …
» … das Tier auf Ridingers Kupferstichen erscheint nun beseelt, und der Künstler gelangt bald zu dem hohen Ruhm, ein ›Tierseelenmaler‹ zu sein. So wird
Ridinger zum mitreißenden Missionar
einer sich damals neu ausbildenden Naturauffassung,
die sich folgerichtig auch zu einem völlig gewandelten Verhältnis zur Kreatur zunehmend geltend macht. Nicht länger ist das Tier eine Art von Maschine …
» … doch sollte nachdrücklich betont werden, daß er ein Tiergestalter sui generis gewesen ist, dessen – wirklich einzige – Art von keinem anderen Künstler auch nur ähnlich wieder erfüllt worden ist …
» … Gemessen an dem geistigen Habitus des durchschnittlichen Augsburger Künstlers, ist Ridinger ein ausgesprochener Profanmaler, der allenfalls in seiner didaktischen Haltung mit den ihn umgebenden Sakralmalern verglichen werden kann «
(Stubbe, a. a. O., SS. 10 f., 16, 23 f., 13, 44; Sperrung, Fettung + Zentrierung nicht im Original).
Da sprach der Mensch: Das ist doch bein von meinen beinen, und fleisch von meinem fleisch. Man wird sie Männin heissen, darum, daß sie vom Manne genommen ist. Gen. 2. 23.
Da sprach der Mensch: Das ist doch bein von meinen beinen, und fleisch von meinem fleisch
Somit Welisch wie Stubbe kerntreffende Stimmen der neueren Kunsthistorie. Denen gelegentlich des 300ten Geburtstages eine von 1997/98er Wanderausstellung durch Polen angeführte fünfjährige regelrechte Ausstellungs-Euphorie folgte, dokumentiert zudem von zwei detailreichen Katalogen (Kielce + Darmstadt). In welch letzterem Stefan Morét auch Die Tradition der Tierdarstellung (SS. 21-30) nachzeichnet und auf Ridinger bezogen namentlich an Roelant Savery (1576-1639) anknüpft, weil dessen »eigentliche(s) Ziel … das Vorzeigen vielfältiger zoologischer Erscheinungsformen, die Präsentation sorgfältig gemalter einheimischer und exotischer Tiere« war, letztere er als Hofmaler Kaiser Rudolf II. kennengelernt hatte, sich damit abhebend zugleich vom Gros der sich auf Haustiere beschränken müssenden niederländischen Kollegen. Und nichts konnte dem mit den großen Vorgängern vertrauten Didaktiker Ridinger näherliegen, als an die Vielfalt dieses übergeordneten Interesses anzuschließen. Wobei für Savery wie für Ridinger
ein Dreiklang von Tier, Landschaft und Mensch
kompositorisches Selbstverständnis war .
Wofür sich keine Vorlage großartiger anbot als eben die Paradieserzählung. Das verwandte Orpheus-Thema (Müllenmeister 203-225) beiseitelassend, widmete Savery dem Paradies 15 Einzelbilder (M. 225A-239). Indes
Ridinger eine
Und das Weib schauete an, daß von dem Baume gut zu essen wäre und lieblich anzusehen, daß es ein lustiger Baum wäre, weil er klug machete; und nahm von der Frucht, und aß. Genes. 3. 6.
Und das Weib schauete an, daß von dem Baume gut zu essen wäre und lieblich anzusehen …
12blätterige tour d’horizon als Gesamterlebnis
kreierte und sich mit dieser ein weiteres Mal neben der Heerstraße positionierte, entwickelt aus einer Vielzahl von Studienblättern, gelegentlich deren elf Augsburgern Gode Krämer anmerkt:
» Die Vorzeichnungen für den betenden Adam und den Adam, der die Tiere benennt, zeigen [übrigens]
wie außerordentlich sorgsam Ridinger die Darstellungen vorbereitete .
» Obwohl natürlich nur ein ganz kleiner Teil der Vorzeichnungen überdauert hat, läßt sich an der Vorzeichnung des Adam von der Rötelzeichnung bis zur großen Gesamtvorzeichnung erkennen,
wie sehr Ridinger um die richtige Haltung des Adam rang .
» Selbst in der ungewöhnlich großen Vorzeichnung zur Gesamtkomposition probierte er verschiedene Haltungen des linken Beines aus. Auch über das Gesamtkonzept der Darstellung war er sich nicht klar, denn vorne auf der Zeichnung sieht man noch eine sich ringelnd aufrichtende Schlange und mehrere Kaninchen, die dann im ausgeführten Kupferstich weggefallen sind. Erstaunlich ist überhaupt, daß sich
für die Tiere auf den Paradiesdarstellungen
Und gab ihrem Manne auch davon, und er aß. Gen. 3. 6.
Und gab ihrem Manne auch davon, und er aß
praktisch keine vorbereitenden Zeichnungen gefunden haben .
» Man kann daraus nur schließen, daß Ridinger durch die lange Beschäftigung mit der Tierdarstellung
keinerlei Schwierigkeiten mit ihrer Wiedergabe
hatte « (was Krämer analog schon für die Pferde in den Kupfern des älteren Gg. Philipp Rugendas konstatierte).
Ein Zurückgehen der ersten Studien auf 1722 (Nagler 6) beruht lt. Thienemann S. 278, dd (1.) auf Druckfehlern im Weigel’schen Zeichnungs-Katalog, der für 1744 + 1746 1722 bzw. 1726 nennt. Zeichnungsdatierungen von 1740 und namentlich 1744/46 – eine 1747er bei Weigel versehentlich 1737 – machen ein Erscheinen der radierten/gestochenen Suite ab lediglich ansatzweise frühestens 2. Hälfte der 40er Jahre denkbar, als der Passus in der von Thienemann (SS. IX/X) irrig als zweiter geführten Lebensbeschreibung Ridinger’s keinen Zweifel zuläßt, wonach dieser
» gegenwärtig in dem 66sten Jahre [ist]
und … an den 2 letzten Blättern seines anmuthigen Paradieses [arbeitet] «.
So erschienen als Vermischte Nachrichten. / Lebensbeschreibung Herrn Johann Elias Riedingers in Augspurg, in Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, II, 1, Lpz. 1766, SS. 137-145.
»In dem 66sten Jahre« hieße 1764. Da vorgenannter Hinweis auf die beiden Blätter in Kilian’s erst am 12. November 1764, so Th., Ridinger übergebenen Biographie noch fehlt, dürfte der Abschluß der Folge kaum vor 1765 erfolgt sein.
Thienemann’s Annahme, diese 1766er entstamme der Feder eines weiteren Anonymus, der die ihrerseits anonyme 1764er erste gleichwohl zu Grunde lag, aber »in anderem Stil bearbeitet [sei], welcher einen mit der Feder mehr bewanderten und in der Orthographie festeren Mann verräth«, ist nicht zu folgen. Denn beide Versionen erweisen sich als gleichermaßen werkvertraut. Die erste durchgängig, die zweite durch eigenständige Ergänzungen wie vor bezüglich des Paradieses. »Der Verfasser nennt sich einen Freund und Schüler Ridinger’s … [die zweite ist] mit K. unterschrieben«, so Th. Ist für die erste, möglicherweise noch nicht für Th., Georg Christoph Kilian gesichert, so verweist das unterzeichnende K. der zweiten auf diesen zurück. Wobei unterschiedliche Stilistik und Orthographie auf den Lektor der Neuen Bibliothek zurückgehen dürfte. – Der Satz der 12 Druckplatten aus 1999er Ankauf in den Kunstsammlungen Augsburg (siehe oben).
Der das ganze Œuvre widerspiegelnde Tier-Reichtum
als eine tour d’horizon eben der Schöpfung
Und wie sehr sich Ridinger mit dieser Folge identifizierte, belegt schlagartig der Weigel-Hinweis, wonach
» Die mit * bezeichneten Blätter des Paradieses in grösstem Format hatte der Künstler unter Glas und Rahmen gefasst. Sie sind aus der schönsten Periode seines Künstlerlebens und bei dem
durch die Stiche bekannten Reichthume
von einer Zeichnung und Ausführung ,
wie nur selten Beispiele in den Handzeichnungen der Maler gefunden werden möchten «.
Nicht von ungefähr also und angesichts eines rund 1600blätterigen graphischen Œuvre die ihrerseits aufmerken lassende Alleinstellung der Paradies-Folge im obigen
Pressenachruf vom 29. Dezember 1767
»Augsburg, vom 29. Decembr. / Unsere Stadt und das ganze gelehrte Deutschland hat vor einiger Zeit 2 berühmte Künstler verlohren: Hr. Joh. Ridinger der hiesige[n] Kunst und Zeichnungs-Akademie Director, und Herr Joh. Jac. Haid des Stadtgerichts Assessor sind hier verstorben. Herr Ridingers merkwürdiges Werk ist: das aus 12 großen Blättern bestehende Paradies, welches in der Zeichnung unnachahmlich ist …«
» Unsere Stadt und das ganze gelehrte Deutschland hat vor einiger Zeit 2 berühmte Künstler verlohren: Hr. Joh. Ridinger der hiesige[n] Kunst und Zeichnungs-Akademie Director, und Herr Joh. Jac. Haid des Stadtgerichts Assessor sind hier verstorben. Herr Ridingers merkwürdiges Werk ist: das aus 12 großen Blättern bestehende Paradies, welches in der Zeichnung unnachahmlich ist … «
Und bezüglich der Untertexte nochmals Stubbe :
» ›Das Paradies …‹ handelt vor allem natürlich vom Verhältnis des Menschen zum Tier …«
[Einschub Schwerdt: » Very fine composition, showing all the animals of the chase in natural surroundings, with beautiful light effects «]
» … vor und nach dem Sündenfall, aber für ein solches ausgedehntes Programm fanden sich in der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht genügend Themen, darum fügt Ridinger bei jedem Blatt seiner Darstellungen dichterische Gedanken der Kirchenväter über die Genesis ein. Vom Hl. Ambrosius, dem Bischof zu Mailand, nimmt er Vorstellungen aus dem ersten der sechs ›libri in Hexaëmeron‹ und Eingebungen aus der Schrift ›de paradiso‹ [zusätzlicher Plattenhinweis bei Bll. 1 + 4: Sihe Brockes gedichte 8.ten theil pag. 81(?; Th. irrig 71) bzw. … 7.ten theil pag. 720], Rupertus, der 1135 gestorbene Abt des Benediktinerklosters in [Köln-]Deutz … muß aus seinen Auslegungen … zur Genesis beisteuern. Auch von einer Homilie des Hl. Augustinus … bezieht Ridinger ein Textmotiv … und in den 67 Homilien über die Genesis, die der Hl. Johannes Chrysostomos … gehalten hat, findet … [er] manche Anregungen. «
Adam sprach: ich hörete deine Stim[m]e im Garten, und fürchte mich, den[n] ich bin nacket, darum versteckete ich mich. Gen. 3. 10.
Adam sprach: ich hörete deine Stim[m]e im Garten, und fürchte mich
Und da im Leben alles ein Nehmen + Geben ist, figurierte 1998 im Handel ein gut honorierter »selten[er]« 1755er »Sechster Schöpfungstag« als »Sehr fein durchgeführte, detailreiche Federzeichnung … die wohl als Stichvorlage gedient haben dürfte« des Wiener Akademie-Sekretärs Anton Edler von Weinkopf (1724 – Wien 1808). Recte war es die getreue, mit 47 × 61 cm (18½ × 24 in) Blattgröße wohl vergrößerte Kopie des 1. Blattes des wenige Jahre zuvor erschienenen Ridinger-Paradieses, verfremdet lediglich mittels einer Rocaillenumrahmung.
Werkbezogen noch interessanter hingegen, daß in Hugo Helbing’s Lager-Katalog XXXIV (1900), Arbeiten von J. E. und M. E. Ridinger, Pos. 1408, ein Exemplar des Paradieses verzeichnet, bei dem neun der Blätter wie folgt von der Norm abweichen:
» Wohl Probedrucke. Auf der Rückseite Text zu Blättern der Jagdbaren Thiere mit ihren Spuren, unterschrieben Joh. Elias Ridinger Augspurg A. C. 1738 [Titelblatt des endgültigen Zustands: 1740], woraus zu ersehen ist, dass [jene] Folge ursprünglich in Lieferungen mit gedrucktem Texte erschienen ist, wovon Th. nichts erwähnt. Th. 811, 813, 814 ohne Text. « Wie auch sonst hier nicht nachweisbar.
Kurz, rundum unnachahmlich in der Tat die jeweils sechs Stationen des Aufstiegs zu vollkommenem Leben unter greifbarer Illustrierung namentlich auch des von den Alten Meistern immer wieder umgesetzten
» apokalyptischen Tierfriedens «
und des stufenweisen Herabsinkens in die Versuchung mit all ihren bösen Folgen bis hin zur zugleich einen neuen Anfang bedeutenden Vertreibung aus dem Garten Eden. Ausstrahlend gleichermaßen Lyrik und Dramatik.
Und großartig die Mimik des Miterlebens dies alles seitens der Tiere.
Die verschreckt und verstört sind ob dessen, was sich da vor ihren Augen anbahnt und schließlich abspielt, und wie sie es zu verhindern trachten. Und am Ende ihre Klage und ihr gemeinsamer Auszug aus der glücklichen, der heilen Welt, hinein in ein Jeder gegen Jeden bis hin zum Menschen als nunmehrigem Gegenpart. Dargeboten dies alles, hier + heute, im
Der Herr sprach: hast du nicht gessen von dem Baume, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen. Gen. 3. 11.
Der Herr sprach: hast du nicht gessen von dem Baume …
begeisternd herrlichen Hell-Dunkel
seiner ganzen Bögen von 52 × 73 cm (20½ × 28¾ in; exakt 51,7-52 × 71,3-73 cm [20⅜-20½ × 28⅛-28¾ in]) wie weder hier schon durchgelaufen (bisherige Spitze bildeten 47,7-48,2 × 68,3-68,8 cm/18¾-19 × 26⅞-27⅛ in) noch anderwärts nachweisbar bei allerdings Fehlens entsprechender Daten als der Regel. Gesichert übertreffend gleichwohl Schwerdt’s Exemplars (52 × 71 cm/20½ × 28 in) als dem bisherigen Primum. Ergebend proportional bestens ausgewogene Randbreiten von seitlich 8,1-10 cm (3¼-4 in) und für oben und unten je nach Plattenformat 6-7,8 × 4,8-6,2 cm (2⅜-3⅛ × 1⅞-2½ in).
Der Zustand bestens, lediglich zwei Blatt mit schwachen Braunstreifen im weißen Papierrand längs des Plattenrandes sowie ein Blatt mit die Plattenkante erreichender, noch haarscharf an der Signatur vorbeiführender Quetschfalte. Aber nicht ein Einriß! Ergänzend indes für Blatt 1-7 pauschal eine 10 cm (4 in) vom linken Bildrand, und damit schon nur noch Marginales berührend, verlaufende Vertikalfalte, hälftig schon ziemlich geglättet und letztlich eher vernachlässigbar als unschön. – Plano – linksrandig der jeweilige restliche Falzstreifen – , sprich, ohne Mittelfalte, gebunden gewesen, lassen die Rückseiten eine solch frühere im weißen Rand teils noch andeuten.
Verflucht seÿ der Acker um deinet willen; mit Kum[m] sollt du dich drauf nähren dein Lebenlang. Dorn und Disteln soll er dir tragen; und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiß deines Angesichts sollt du dein Brod essen, biß daß du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde, und sollst zur Erde werden. Gen. 3. 17. 18. 19.
Verflucht seÿ der Acker um deinet willen
Die Druck-Qualität brillant.
Und solchermaßen allein schon rein optisch von unerhörter Erlebenswucht. Auf schwerem Bütten/Linienpapier ohne strukturbedingt gesichert erkennbarer zumindest typographischer Wasserzeichen, für möglich erachtet gleichwohl die von den Ridingers für ihre Schwarz-Weiß-Drucke zeitlebens bevorzugte Papiermühle der Loth-Dynastie in Nieder-Wangen an der Argen. Denken lassend indes auch an die hier jüngst durchgelaufene und mit ihren nahezu identischen 72,5 × 52 cm (28½ × 20½ in) Blattformat nur als
Imperiales Exemplar
bezeichenbar gewesene Ridinger’sche 1734er 18blätterige Neue Reit Schul (Th. 628-645), für deren wasserzeichenlesbares schweres Bütten Heawood 3218 f. mit »?« eine Nürnberger Mühle vorschlägt, als bei Homann dortselbst für 1750 bzw. 1737-1742 etc. nachweisbar. Unerhörter Zeitnähe + Ausnahme-Qualität zum Trotz liegt diese majestätische Schule in geradezu einem Bruder-Exemplar eben hiesiger französischer Provenienz erneut hier auf. Kurz,
Die grandiose Paradies-Folge hier und heute so vollkommen, wie eben nur
Gott der Herr trieb Adam aus; und lagerte vor den Garten Eden den Cherubim mit einem bloßen hauenden Schwerd, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens. Gen. 3. 24.
Johann Elias Ridinger (1698-1767) / Grafika. Hrsg. vom Muzeum Narodowe w Kielcach. 1997. – Poln.-dt. Paralleltext.↩
Stefan Morét und Arnulf Rosenstock. Die Tierdarstellungen von Johann Elias Ridinger. 1999.↩
Kurt J. Müllenmeister. Roelant Savery / Die Gemälde. 1988.↩
Ridinger-Kabinettausstellung der Kunstsammlungen Augsburg 2001.↩
37 als »Reiche Zusammenstellungen mit mehr oder weniger Abweichungen von den gestochenen Blättern, besonders in den Entwürfen« noch 1869 im »Catalog einer Sammlung von Original-Handzeichnungen … gegründet und hinterlassen von J. A. G. Weigel in Leipzig« (Nrn. 779-815).↩
Wobei aber auch offensichtlicher Rückgriff auf schon anderwärts Vorhandenes nicht übersehen sei.↩
Rugendas. Eine Künstlerfamilie in Wandel und Tradition. Ausstellungskatalog. 1998. Seite 27/III. – Augsburger Museumsschriften 10. Hrsg. von Björn J. Kommer.↩
Seite 229 des schon eingeführten 1869er Weigel’schen Nachlaßkatalogs.↩
C. F. G. R. Schwerdt. Hunting, Hawking, Shooting illustrated in a catalogue of books, manuscripts, prints and drawings. Bd. III. 1928/1985. Seite 144.↩
Wohl Lot 1762 des Katalogs XXXV der 1895 bei Hugo Helbing in München versteigerten Sammlung Georg Hamminger, Regensburg, obgleich dort mit dem ggf. fehlerhaften Anschein eines nicht näher bezeichneten Versotextes auf allen 12 Blättern.↩