niemeyer’s AHA! Erlebnisse - aus Tradition aktuell

— April 2023 —

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» Meine Freunde … sorgten sich um den Leib und vergaßen,
was ich ihnen gesagt habe:
› … am dritten Tag werde ich auferstehen. ‹ «

Tomislav Ivančic
Folge mir nach. Begegnung mit Jesus auf dem Kreuzweg
Salzburg 2010, SS. 44-46

Johann Elias Ridinger, Kreuzabnahme (Ausschnitt)

Die so seltenere Abnahme vom Karmeliter-Kreuz als Hochamt

Das brillante Blatt
in seiner nahezu unikaten Rarität

Johann Elias Ridinger (Ulm 1698 – Augsburg 1767). Consepulti sumus cum illo per Baptismum in mortem. Rom. VI. v. IV. Jesus’ von Pilatus autorisierte Abnahme vom Kreuz durch Joseph von Arimathæa als dem Initiator und einzigem mit Fußbekleidung (Gareau) und Nicodemus nebst drei Helfern.

Im Rahmen einer Altartafel, erfüllt von seinesgleichen suchendem Reichtum. Der in gleißendem Lichte nunmehr von Heiligenschein gekrönte Christus, umfangen von gleichermaßen strahlendem Tuch, indes die Dornenkrone nur noch seitwärts oberhalb der IESUS NAZARENUS REX JUDÆORUM Tafel ans Gestern erinnert, montiert auf dem das Karmeliter-Querholz, s. u., überragenden Senkrecht-Pfosten. Und innerhalb einer die Altar-Einfassung krönenden Muschel-Kartusche ET PLANGENTEUM QUASI UNIGENITUM, ET DOLEBUNT SUPER EUM, UT DOLERI SOLET IN MORTE PRIMOGENITI. ZACHARIA C. XIIV X .

Faszinierend die 5figurige Geschäftigkeit auf dem geradezu Geflecht von vier Leitern, das Schlenkern der Beine. Erwartender Gegenpol die incl. der schemenhaften Gestalt hinter den linken Leitern sechs Frauen am Boden. Zur Rechten mit gefalteten Händen Maria, ihr zur Linken in Empfängnisbereitschaft die Schwester, Maria Magdalena. Dominant als Bodenbesatz eine Schüssel mit aromatischen Kräutern gemäß jüdischem Bestattungsbrauch (Gareau nach Joh. XX,40). Neben dieser Hammer mit Nagelzieher + Zange.

Johann Elias Ridinger, Kreuzabnahme (Ausschnitt)

Seitenrichtiger Kupferstich von Leonhard Michael Steinberger (um 1713 Augsburg 1772) nach Charles LeBrun (1619 Paris 1690) via des Kupferstichs von Benoit Audran I (Lyon 1661 – auf seinem Landgut L’Ouzouer bei Sens 1721). Bezeichnet: Ioh. Elias Ridinger excud. Aug. Vind. / L.M. Steinberger sculp., ansonsten wie vor. 71 × 44,5 cm (28 × 17½ in).

Vorab: Jan Hendrik Niemeyer, Ridinger Erlebnisse 1698-2020, 2021, Seiten 223 per 1894 + 284 per Wiederlokalisierter Ridinger-LeBrun mit Fortsetzung S. 286. – Und

ad Ridinger: Nicht bei Thienemann nebst Nachträgen (1856, 1859, 1862, 1876); Schwarz (1910; mit »7 unbeschriebenen Kupferstichen und 126 unbeschriebenen Schabkunstblättern« namentlich der 1903 erworbenen Slg. Horn) + Wend, Ergänzungen zu den Oeuvreverzeichnissen der Druckgrafik / Deutschsprach. Schrifttum (1975).

Einziges hier nachweisbares Markt-/Sammlungs-Exemplar per 23. März 1882 bei Boerner, weitergegeben an Theodor Heinrich Reich auf Rittergut Biehla, seit dessen 1894er Sammlungs-Auflösung es nicht mehr nachweisbar ist. Hiesige bisherige Annahme seines 1895er Eingangs in die Accademia Nazionale dei Lincei beruhte auf der Zeitgleichheit 1894/95. In letzterem Jahre der Fondo Corsini/Barberini aufs heutige CalcoGRAFICA/Istituto Nazionale della Grafica überging und mit ihm per Inv.-Nr. FC116595/vol. 57N11 besagte Kreuz-Abnahme, denkbar nun einst zeitgleich erworben durch Kardinal Neri Maria Corsini (1685-1770), Neffe Papst Clemens XII. (Lorenzo Corsini). Deren Blattformat mit seinen lediglich 71,2 × 45,2 cm weit hinter hiesigen 81,2 × 53,5 cm zurückbleibt. Zustandsmäßig dito.

ad Steinberger: Nagler, Künstler-Lexicon, XVII (1847), 278: Sein Hauptblatt ist folgendes: Die Kreuzabnehmung, nach C. le Brun und dem Stiche von B. Audran …; als Pendant ebenso Christus am Kreuze, s. u.; Thieme-Becker XXXI (1937), 550: Kreuzabnahme nach Lebrun-Audran.

ad LeBrun: Michel Gareau, Charles LeBrun, First Painter to King Louis XIV, 1992, Seiten 80 + 152 f. nebst 2 farb. Komplett- + Detailabb. des Öls in Rennes; Thieme-Becker XXII (1928), 510 f. mit vier der Kreuzigungs-Öle, noch ohne die Kreuzigungsabnahme. Letztere erst 1937 per Steinberger, s. o.

ad Audran: Nagler, Künstler-Lexicon, I (1835), 193: Geschätzte Blätter sind ferner: … Die Kreuzabnehmung, nach Le Brun; gr. fol. … . Nachdem unter den vorzüglichsten Blättern schon Christus am Kreuze, nach Le Brun, figurierte. Wie von Steinberger als Pendant zu Obigem gleichfalls nachgestochen.

Johann Elias Ridinger, Kreuzabnahme

» Im grössten Imperialformat «

von hier 81,2 × 53,5 cm Blattgröße als graphisch praktisch adäquat

zu LeBrun’s sich auf 5,45 × 3,27 m Leinwand wölbendem Öl von ca. 1679

in einzigartig souveräner Gestaltung. Faszination auf den ersten Blick.

» Le Brun, der an den italienischen Meistern geschult war, hinterließ ein Werk, das für die folgenden Generationen französischer höfischer Kunst in seiner Stringenz und gravitätischen Würde immer wieder beispielhaft war. Gerade mit der zunehmenden Verspieltheit des Dekors im 18. Jahrhundert besann sich die Kunstdebatte der Zeit zurück auf das Grand siècle [und dessen grand peintre], dessen Kunstproduktion als die wahre französische Kunst idealisiert und als zu erstrebendes Gegenstück zum Ornamentenschwulst begriffen wurde« (dt. Wikip. 12. 9. 2022).

» (Dieses Gemälde ist eines der feinsten Beispiele für LeBrun’s Nutzung der Perspektive. Obgleich die Ebenen sehr eng beieinander liegen, entwickelt er ein bemerkenswertes perspektivisches Gespür für jede Gestalt. Man braucht nur auf die Füße auf den Sprossen der Leitern zu blicken, um LeBrun’s Könnerschaft als Zeichner zu würdigen. Die Winkel und die Perspektive sind mit bemerkenswerter Leichtigkeit ausgeführt. Beachtlich auch das komplizierte Spiel der Schatten sowohl auf den nackten Körpern als auch auf der Draperie. Auch wenn LeBrun kein Schüler der Rubens’schen Farbenschule war, so ist seine Palete keineswegs grau.

Das denn auch strahlende Bild muß bei Hofe sehr bewundert worden sein,

denn LeBrun’s Feind [Kanzler] Louvois verwehrte [per Kauf für Ludwig XIV.] dessen Überstellung an die Karmeliter [als Auftraggeber, s. u.] und stattdessen schmückte es den Altar der Kapelle von Versailles [ab 1684, anschließend bis 1802 die Kgl. Sammlungen, dann bis heute dieMusée des beaux arts in Rennes]. Die für den Maréchal [?] Créqui, die Jacobiner der rue Saint Honoré [Dominikaner-Kloster] und etliche Kirchen ausgeführten Kopien sprechen für den Erfolg des Bildes« (Gareau, a. a. O., S. 152).

Auftraggeber zu Gunsten der Lyoner Karmeliter-Nonnen war Maréchal Nicolas de Neufville, Marquis, seit 1663 Herzog, de Villeroy, Gouverneur von Lyon. An diese ging denn eine von LeBrun gefertigte identische Zweitversion. Karmeliter-wappenspezifisch, indem der Kreuzpfosten konventionell über dessen Querholz hinausführt (Gareau). Und erst an des ersteren Spitze denn auch die schon eingangs beschriebene I.N.R.I.-Tafel.

Eine zentrale Ausschnitt-Kopie des Kreuzabnahme-Öls mit nur Christus und Joseph von Arimathæa fertigte Charles’ Neffe Pierre Lebrun (um 1703-1771) im Format von 1.40 × 3.30 m für die Kirche Notre-Dame in Bellegarde/Dép. Loiret. Und von dem Bild als Ganzem figurierte vor Jahren eine für sich sprechende anonyme Kreuzabnahme-Leinwand-um-1700 ohne LeBrun-Bezug am Markt.

Johann Elias Ridinger, Kreuzabnahme (Ausschnitt)

» Die Kreuzabnahme, von der die Evangelien nur sehr knapp berichten, ist innerhalb der ›Bildenden Kunst‹ immer wieder aufgegriffen worden. Schon die frühe mittelalterliche Buchmalerei kennt viele Beispiele. Häufig ist auf diesen Darstellungen gezeigt, wie die Nägel, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen war, schon entfernt sind und er herabsinkt in die Arme des ihn auffangenden Josef von Arimathia « (dt. Wikip. 4. 3. 2022). Letzteres wie denn auch hier im

ganz vorzüglichen Druck perfekten Hell-Dunkels des Steinberger/Ridinger-Kupfers

auf seinem schon bezifferten vollen Bogen des von den Ridingers bevorzugten und mit typograph. Wz. ausgewiesenen schweren WANGEN-Bütten der Loth-Dynastie auf der traditionstiefen Lottenmühle in Nieder-Wangen an der Argen, herkommend

aus alter französischer Ridinger-Sammlung mit Biß.

Als, neutral gesehen, französischem Kern all ihrer Herrlichkeiten als gleichwohl Bekanntem. Und ist es eben dieser Silberne-Tablett-Aspekt, der

zwangsläufig auf eine originäre, eben französische, Bezugsquelle hinausläuft.

Und wie hier bei früheren sich einheitlich präsentierenden Spitzenstücken erster Adressen gesichert die Ridingers unmittelbar ins Visier zu nehmen waren, so deutet bei anstehendem alles auf deren Pariser Agenten hin, den Kunsthändler Gilles Rosselin.

Entsprechend Johann Elias in hier aufliegendem, Décultot unbekannt gebliebenem Direkt-Brief vom 21. 6. 1765 an Kunstpapst Wille in Paris, daß er diesem die zugedachten Dinge wiederum nicht unmittelbar, vielmehr via Rosselin zukommen lasse, geschuldet, so anderwärts, den unsicheren Post- und Transportverhältnissen. So denn auch schon am 3. 11. 1761 bezgl. des ihm zugedachten Ex der Reitschule (sicherlich der 1760/61er Kleinen). Und mit Todesmeldung die Söhne am 12. 4. 1767 mit PS »Melden Sie Mons Gil. Roselin unsrem Freunde diese Nachricht gleichfals …«

Vorstellbar solchermaßen, mit welcher ganz persönlichen Bezogenheit Ridinger Steinberger’s Kreuz-Pendants zur Veröffentlichung hereingenommen haben mag. Als zugehörig eben jenes grand peintre du grand siècle, dessen ALEXANDER–Zenit seinem eigenen frühen Schlüssel-Werk zutiefst verbunden war. Und welcher ihm hier als thematisch gleichwohl nicht weniger fremd als ein ganz anderer LeBrun wiederbegegnete. Denn

» Weit entfernt von dem feurigen und energischen Ausdruck der [1660er Alexander-]Schlachten, spiegelt das Gemälde die friedvolle Empfindsamkeit wider, die den Maler gegen Ende seiner Karriere erfüllt haben muß … [Die Anbetung der Hirten], vollendet wenige Monate vor seinem Tode, wird für Charles Le Brun’s letztes bedeutendes Werk gehalten. Des alten Mannes späte Tage waren der Bibel-Lektüre gewidmet, was er dann in seine Malereien übernahm. Es ist ganz klar eine Rückkehr zur religiösen Malerei im Stile Poussins, aber Le Brun’s kompositorische und zeichnerische Characteristica sind leicht erkennbar … « (Gareau, a. a. O., S. 158).

19jährig schon peintre du roy, begleitete LeBrun 1642 Poussin (1593-1665) auf dessen endgültiger Rückkehr nach Rom und war diesem während seines eigenen 3jährigen dortigen Aufenthalts verbunden geblieben. Und wenn Jahn zu Poussin resümiert »In seinem Schaffen vollzieht sich unaufhaltsam ein Wandel von barocker Haltung zu einem nach Maß und Klarheit drängenden Klassizismus, eine für die franz. Kunst des 17. Jh. auch sonst bezeichnende Erscheinung«, so spiegelt letzteres Wunder von Bild ganz entschieden und

unabhängig von Zeit und Glauben

die Magnetwirkung seiner Kreuzabnahme

wider. Wie im Rahmen des Möglichen denn auch anstehender Steinberger/Ridinger Stich. Dessen Licht Christi lediglich das Auge des Gleißens bildet. Tatsächlich wetterleuchtet es durch das ganze Blatt. Das in die Welt gekommene Licht – hier verwirklicht es sich, gewährend einen Abglanz seiner Vorlage. Bis hin zur

Grandeur des Formats.

Mittelfalte mit dem Falzstreifen-Rest der desolat gewordenen alten Bindung. – Je 1 kleines Eck- bzw. schmales Hochkant-Eselsohr sowie zwei 1 cm kleine Einrisse linksseits säurefrei hinterlegt. Fast ausschließlich an der Einfassungs-Schraffur 3 dickstecknadelkopfkleine und ca. 3 stippenkleine Druckausfälle.

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  1. »(In einer Anzahl seiner religiösen Werke lockte LeBrun der Gebrauch des T-förmigen Kreuzes wie von der Kreuzigungs-Geschichte in verschiedenen Versioen beschrieben [siehe hiesige 16.318], aber hier optierte er gemäß Karmeliter-Wappen für die †-Version)« (Gareau, a. a. O., S. 152).
  2. Elisabeth Décultot et al. (Hrsg.), Johann Georg Wille/Briefwechsel, 1999.
  3. Décultot 98/S. 244.
  4. Johannes Jahn, Wörterbuch der Kunst, 5. Aufl., 1957, SS. 52 f.