„ … eine gar artige Jagd machen “
Die Lappen von 1717 – Die Lappen-Platte von 1729
Unerhört einzigartig + glanzvoll
der Gleichklang von Zeit + Sujet
Ridinger, Johann Elias (Ulm 1698 – Augsburg 1767). Das mit Flammen=Schnüren umstellte Jagen. Vorn Federschnur, zurückgesetzt darüber
die Lappenreihe
– „ … auch die Art des Jagdzeugs , Lappen , Federhaspel etc.
ist malerisch verwendet “
(Franz von Kobell als ein „ächter Waidmann“ [ADB], 1865) –
unter der der erste Hirsch schon verhaucht, indes ein Kapitaler noch im Begriff ist, über diese hinwegzusetzen, aber seinerseits im Feuer des Schützen vorn rechts bleiben wird. Im Waldesinnern wählt ein weiterer Edler seinen Weg lieber ins Abseits. Druckplatte im Gegensinn. (1729.) Bezeichnet: Ioh. El. Ridinger inv. pinx. sculps. et exc. A. V. / avec privil. de sa Majeste Imp. 30,5 x 23,4 cm.
Jagdlappen Georg Wilhelms Markgraf zu Brandenburg-Bayreuth (1678-1726, reg. ab 1712) mit Hohenzollern-Adler zwischen dem Monogramm GWMZB und der Jahreszahl 1717 auf der Vorder- und
von Meutehund gestelltem aufgerichteten 12-Ender
auf der Rückseite. Vierer-Satz an offensichtlich originalem Seil von 403 cm Länge + 2 x 20 cm Einhängumschlag. Hand-Zeugdruck in Rotbraun + Schwarz auf sackleinenfarbenem (3) bzw. grauem Grund. 62-63 x 35-40 cm.
Abbildung der Rückseite bei Juliane Scheffold, Jagdmethoden im 18. Jhdt., in Triesdorfer Hefte 9, Die Jagd der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach in der Frühmoderne, 2010, Seite 52.
In außen wie innen uniformer
gemeinsamer bordeauxroter Maroquin-Kassette
(75,5 x 48 x 8,2 cm) mit 4 Zierbünden, 2 dunkelgrünen goldgeprägten Rückenschildern, goldgepr. 2teil. Titel nebst Jahreszahl sowie Goldfilete auf dem Vorderdeckel sowie ridinger handlung niemeyer auf unterer Innenkante des Rückdeckels, alles 23,5karätig, mit den unter Polykarbonatglas (alterungs- + UV-beständiger als Plexiglas, aber ebenso kratzempfindlich) eingelassenen Solitären.
Linksseits die optisch hervorragend erhaltene
originale Druckplatte
zu einem der acht kleinen Formate (Thienemann + Schwarz 17; Stubbe, 1966, Taf. 4) der in Radierung mit Kupferstich gearbeiteten instruktiven Lehr-Folge der 1729er Fürsten-Jagd-Lust als der frühesten von Ridinger nunmehr selbst in die Platte übertragenen großen Jagdfolge des Œuvre, hier weit über Thieme-Becker (Bd. XXVIII, 1933, S. 308) + Thienemann (1856, S. XXIII) hinaus nahtlos direkt bis in den Ridinger-Nachlaß selbst recherchiert als ein weltweit unikates Sammlungsstück von Graden. – Mittels feinen Lackauftrags vor Anlaufen geschützt, ist anstehende Platte im Rahmen ihres altersmäßigen Gebrauchs generell noch druckfähig, doch wird für schlußendliche Druckqualität keine Gewähr geleistet. – Wegen fehlerhafter Schraubung oben links nur bedingt herausnehmbar.
Thematisch aber den jagddidaktischen Arbeiten Ridinger’s zugehörig, seinem Bestreben,
vom Lehrprinzen an aufwärts
allen das waidmännische Rüstzeug zu vermitteln, dessen ein Hirschgerechter bedarf. Entsprechend denn der reiche – hier natürlich spiegelbildliche – Untertext, parallel in Deutsch + Französisch:
„ Es ist dieses so wol vor Hoch als Niederes Wildpreth erfunden, damit man ohne sonderliche Kosten und vieles Zeugs sich eine angenehme Freude mit wenig Leuten und nur einem Leithund, eine gar artige Jagd machen kan. Wan(n) die Hirsche, oder Rehe eingekreiset
nim(m)t man
diese Tücher-Lappen
bundweise auf einen Hacken, lasset sie ablauffen und umfänget den(n) die Dickicht oder Stand wo sich das Wildpreth pflegt aufzuhalten, solches muß so viel möglich in gröster Stille geschehen. Es werden auch Feder=Schnüre darunter hergebunden, damit nicht einiges Wildpreth unten durch setzen könne. Wan(n) es nun umzogen ist, so theilen sich die Jäger auswendig auf ihre Posten aus; so dan(n) fängt man an gantz gemach zu treiben, da dan(n) das Wildpreth pflegt herum zu lauffen, und sich dem Jäger zum Schuß frey gebet; es ist aber wol in acht zu nehmen, daß nicht von vielen Orten zugleich geschossen werde, dan(n) so man sie zu starck forcirt fallen sie über die Schnüren und gehen durch. “
(Welch letzterer Situation der hier jenseits der Schnüre ansitzende Schütze begegnet.)
La Chasse environnée des Cordes
“ Cette maniere de chasser est propre pour toutes sortes de Venaison ou on peut se divertir sans beaucoup de depenses et a peu de gens et d’un seul chien. Quand les Cerfs ou les Chevreuils se trouvent renfermés dans un bois, ou environ(n)e cet endroit ou les bêtes se tiennent avec des Enceintes; cela se doit faire en cachete et en silence qu’il est possible, et ces enceintes se doivent bien fermer en bas asinque les Bêtes ne puissant echapper. Quand cela est fait soigneusement, les Veneurs se partagent de toutes cotés, et se mettent en poste. Alors on commence à lancer les Bêtes qui courent ou on les tire aisement. Mais il y a bien à observer, qu’on doit prendre garde que plusieurs ne tirent ensemble, car quand les Bêtes sont forcées trop, elles tachent de s’enfager outres les enceites et echapent. “
„ … die Einrichtung und Gestaltung der Jagd (aber)
gehörten zu den künstlerischen Aufgaben des 18. Jahrhunderts “
(so in einem 1991er Ausstellungskatalog der Hamburger Kunsthalle in Kommentierung eines Ridinger-Exponats).
Die Jagd der Ridingerzeit kunsthistorischerseits also nicht länger gesondert für sich begriffen, gesondert also auch nicht Ridinger selbst als deren bloßen Protagonisten, sondern gesehen als in engstem Kontext stehend mit dem Jahrhundert als Ganzem. Damit aber steht deren unangefochtener Großmeister nicht mehr schlicht für Jagd, sondern eben für eine ganze Epoche. Mit aller Herausforderung an die Forschung, die sich hieraus zwangsläufig ergibt. Und auch daraus ergibt, wenn an gleicher Stelle
„ das gestochene , radierte und geschabte Werk Ridingers
den großen graphischen Œuvre des 18. Jahrhunderts “
gleichrangig zur Seite gestellt wird. Nämlich, wörtlich:
„ Wie Piranesi sich an die antiquarisch interessierten , Hogarth an die bürgerliche Vernunft mit ihren (gleichfalls) durch gestochene Erklärungen ergänzten Werken wandte , hatte Ridinger zweifellos das Interesse der Höfe und der Aristokratie auf seiner Seite . “
Adäquat exemplarisch für Obiges denn die im bordeauxroten Maroquin-Vorderdeckelinnern der Kassette arrangierte
eigenhändig vom Meister selbst gefertigte glanzvolle rot-goldene Druckplatte
mit der goldgeprägten Unterbeschriftung
Das Lappen-Thema findet sich bei Ridinger offensichtlich nur noch auf den Scenerien Th. 337 (radiert/gestochen von seinem Ältesten, Martin Elias, die Platte hiesigerseits zudem schon in Museumsbesitz veräußert), Th. 327 (Martin Elias nach J. D. Wocher) und nur abgespeckt bei Th. 304.
Rechtsseits denn als Dokumente der Praxis selbst die Lappen eben jenes vis-à-vis gekupferten jagdlichen Alltags. Und beider Fertigung
in zeitlichem Abstand von gerademal 12 Jahren !
Und thematisch maßgeschneidert dazu! Und vier am Stück obendrein ! Kommentiert als
„ im engern Sinn die zur Herrichtung von eingestellten (umstellten) Jagen nötigen Tücher, Netze und Lappen. Man unterscheidet: 1) Blendzeuge, welche den Zweck haben, das Wild zurückzuscheuchen; dahin gehören … b) Tuchlappen, bestehend aus etwa ½ m im Quadrat großen Lappen von starker grauer Leinwand, welche in etwa 1 m Abstand an einer 150 Schritt langen, fingerstarken Leine oben festgenäht und auf denen
der Namenszug des Jagdherrn ,
oft auch das Jahr der Anfertigung
(wie beides denn hier) angebracht sind … Man richtet diese Lappen möglichst frei, damit sie schon von weitem vom Wild gewahrt werden, auf den Linien, über welche dasselbe nicht fortfliehen soll … Besonders bei windigem Wetter läßt sich das Wild durch die hin= und herwehenden Lappen scheuchen, wird dasselbe aber stark beunruhigt, so respektiert es diese nicht mehr … Das Jagdzeug muß nach jedesmahligem Gebrauch gut getrocknet und ausgebessert werden. Man bewahrt dasselbe in besondern Jagdzeughäusern auf, welche so eingerichtet sind, daß stets genügender Luftzug hergestellt werden kann, damit das Zeug nicht stockt … “
(Meyers Konvers.-Lex., 4. Aufl., IX [1889], 127 f.).
Dieser sorglichen Verwahrung entspricht denn auch hiesiger Vierer-Satz unter Würdigung
seines Nutzungszwecks ,
sprich , seines Wild-Pedigrees .
Zwangsläufig verblichen und mit Farbabreibungen, gewiß, doch nicht stockig, ist der Gesamtzustand gut bei Obenaufliegen des sich am schönsten präsentierenden
Hirsch-Hund-Motivs
bei spiegelbildlichem Durchscheinen
des Jagdherren-Monogramms + der Jahreszahl .
Die Jagdherrschaft von zusätzlicher Prominenz als der von Markgraf Georg Wilhelm 1705 gestiftete und 1712 organisierte Ordre de la Sincérité – Orden der Aufrichtigkeit – , von Markgraf Georg Friedrich Carl 1734 in Roter Adler-Orden umbenannt, 1792 unter letzterem Namen zum zweithöchsten preußischen Orden avancierte! Und damit zu einem der großen der Zeiten. Kurz ,
Grandeur
für Hände welche
als ein
Gesamtkunstwerk sui generis
Elitärer geht’s nicht
Und zumindest in Verbindung mit Ridinger weltweit praktisch einzig am Markt .
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