ridinger handlung niemeyer
English

Johann Elias Ridinger, Oberer Pferdekiefer

Johann Elias Ridinger (Ulm 1698 – Augsburg 1767). Oberer Pferdekiefer eines alten Tieres, von der Unterseite gesehen. In Grau und Braun aquarellierte Graphitzeichnung. Links unten von alter Hand in Bister bezeichnet: Obrer Pferdekiefer. Ca. 1765. 257 x 145 mm.

Provenienz: Boguslav Jolles, Dresden und Wien, dessen ligierter Monogrammstempel in Blau (Lugt 381a) in der unteren rechten Ecke, vermutlich auf dessen Versteigerung „der berühmten Sammlung von Handzeichnungen und Aquarellen alter und moderner Meister“ Mchn. 28.-31. Okt. 1895; Hugo Helbing, München. Katalog XXXIV (1900), Arbeiten von J. E. und M. E. Ridinger, Nr. 1554.

Abbildung: WELTKUNST Jg. LXIV, Seite 2688 (redaktioneller Teil); Niemeyer, Ridinger Erlebnisse 1698-2020, 2021, SS. 143 f. nebst Farbabb.

Voll durchgeführte Studie auf feinem, leicht getöntem Bütten mit großem Wz. Seilschwingender Akrobat auf Kugel, auf einem Podest balancierend, ähnlich Heawood 1364 + 1365, doch etwas größer und wesentlich feiner und detailreicher. Das Papier in sich im übrigen korrespondierend mit jenen holländischen Papieren, wie sie Ridinger entsprechend seiner Vorrede zu den Hauptfarben der Pferde „wegen der feinen Illumination“ für die kolorierten Werke verwandte, „weil es hiezu das anständigste und beste ist“ und solchermaßen eine Datierung auf um 1765 nahelegend.

Vergleichbares nicht in den von Thienemann beschriebenen Weigel’schen Zeichnungsmappen und auch nicht unter den zu 829 Nummern zusammengefaßten rund 1849 Arbeiten des Ridinger-Appendix des 1869er Weigel’schen Handzeichnungskatalogs. Ebenso fehlend in dem zu 146 Lots vereinigten 234blätt. Bestand der 1890 bei Wawra in Wien versteigerten „Schönen Sammlung von Handzeichnungen … Joh. El. Ridinger’s aus dem Besitz eines bekannten Sammlers“.

Einzig der legendäre, 95 Zeichnungen enthaltende Corpus der 1958 aufgelösten Ridinger-Sammlung Alexander Graf von Faber-Castell enthielt eine mit 1718 datierte Tierkiefer-Zeichnung als die zugleich dortige früheste. Solchermaßen im Œuvre thematisch nahezu beispiellose voll durchgeführte anatomische Studie von außerordentlichem künstlerischen und sammlerischen Reiz.

Die verschiedenen Teile und Partien des Kieferknochens auf bis 37 benummert analog zu Vorzeichnungen für die – recte , so Th., Nachtrag 1, SS. 11 ff. – Eingangsblätter der Hauptfarben der Pferde bei evt. Überspringen der Ziffern 1, 3, 6, 8 + 29.

Optisch von ganz anderer Delikatesse als Franz Krüger’s zeichnerische Aufsicht + Seitenansicht eines Pferdeschädels von 1815, deren erstere in ihrer Anlage spontan an Ridinger’s fünfzig Jahre frühere hiesige Zeichnung erinnert (siehe Max Osborn, Franz Krüger, von Kerstin Englert hrsg. Neuauflage, Bln. 1997, Abb. 2 + 3).

Links von der Bezeichnung Spuren gelöschter Datums- oder Jahreszahl (…9?). – Unten rechts von alter Hand in Bleistift bezeichnet: Joh. Elias Riedinger (sic!) f., wie rücksichtlich des „ie“ so in der 1. Hälfte des 19. Jhdts. und noch darüber hinaus vielfach Usus (siehe Th. S. X, Fußnote 1), doch wie auch von Ridinger selbst verschiedentlich (hier gesichert für 1724/40) signiert worden.

Verso Spuren früherer Montage punktweise an den Ecken und in schmalem Streifen im Mittelfeld der Seitenränder. Ein stecknadelkopfkleines Löchlein sorgfältig durch alte Hinterlegung restauriert und bildseits kaum noch bemerkbar. Gesamthaft von wohlverwahrter Frische. – Unter säurefreiem Passepartout mit 23,5karätig goldgeprägten Künstler-Daten.

Boguslav Jolles begann bald nach 1870 mit dem Aufbau einer Zeichnungssammlung, die er auf zahlreichen Reisen im In- und Ausland über rund zwanzig Jahre hinweg ausbaute. Im October 1895 kam seine Sammlung in insgesamt 1567 Positionen, darunter 692 alte Meister verschiedener Schulen, in München unter den Hammer. Zur Freude übrigens nicht zuletzt des noch jungen Sammlers A. J. Domela Nieuwenhuis (Lugt 356b), der hier den größeren Teil seiner Zeichnungen deutscher Meister des 19. Jhdts. erwarb.

Angebots-Nr. 28.861 | Preis auf Anfrage