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Johann Elias Ridinger (Ulm 1698 – Augsburg 1767). Triumph des Todes. Kupferstich + Radierung nach Andrea Andreani (Andrea Mantuano + weitere Schreibweisen; 1558/59 Mantua 1629) an Hand dessen nach einer Zeichnung von Giovanni Fortuna Fortunius (1535 Siena 1611) geschaffenen Clair-obscur-Schnitts von 1588 im Zweitzustand. Bezeichnet: Joh. El. Ridinger excud. Aug. Vind. Blattgröße 57 × 40,6 cm (22½ × 16 in).
Buijs (Hrsg.), Un Cabinet Particulier. Les estampes de la Collection Frits Lugt, 2010, Nrn. 10 (Andreani; Allégorie de la mort/Memento mori; stark restauriert; via Sponsor erworben 2005 zu EUR 25000) + 10a (Ridinger, hiesiges Explr.) nebst Abbildungen.
Unbekannt der einschlägigen Literatur zu Ridinger bis hin zu Wend, Ergänzungen zu den Œuvreverzeichnissen der Druckgrafik (1975), Niemeyer, Die Vanitas-Symbolik bei Joh. El. Ridinger (in L’Art Macabre, Bd. 2, 2001) und den maßgeblichen Sammlungs-, Verkaufs- und Ausstellungs-Katalogen von Weigel (1838) bis zur Gegenwart mit Ausnahme des signifikant bildbeschnittenen Torsos bei früher Graf Radulf zu Castell-Rüdenhausen.
Formatmäßig sichtbar größer als Andreani’s während seiner besten Periode geschaffene Vorlage oder die unten beigezogene abweichende Version Edmé Moreau’s (51,6 × 34,9 bzw. 52,7 × 33,5 cm [20¼ × 13¾ bzw. 20¾ × 13¼ in]), von ersterer hier in zahllosen Altmeister-Katalogen der letzten Jahrzehnte nur ein Exemplar des II. Zustandes nachweisbar ist, das seine Schätzung entsprechend nahezu verfünffachte (1994; das jetzige Lugt-Explr.). Als Ganzes denn auch fehlend innerhalb der nicht miteinander identischen jeweils sieben Andreanis der Sammlungen Lanna (1895, + 3 Varianten) + Davidsohn (1920/21).
Diese äußerste Seltenheit der Andreani-Vorlage (schon 1858 Nagler, Monogrammisten I, 86: sehr selten) verleiht Ridinger’s Blatte zusätzlichen hohen Belegwert.
Andreani’s generell nur schmales Œuvre wird heute auf ca. 70 Arbeiten beziffert (AKL, 1990, und „ist sein Wirken heute historisch und kunsthistorisch bedeutsam einzuschätzen“, wie Nagler, Monogrammisten I, 86, bereits 1858 festhielt: „… die ausserordentliche Thätigkeit eines Mannes … über welchen seit Bartsch oft ein zu strenges Urtheil gefällt wurde … Andreani muss von einem anderen Standpunkte aus betrachtet werden …“ und ebda. per 1017: „der berühmte Formschneider“), von denen ein Großteil aber auf die Zeit nach 1600 entfällt, da er sich in Mantua nur noch als Händler und Verleger betätigte, wobei er gleichwohl die erworbenen Fremdstöcke mit seinem Monogramm versah. Zwei Arbeiten aus 1608 bzw. 1610 gelten aber als nochmals originär. Bartsch’s Kernbestand von 25 + besagten beiden späteren in Anzahl wie Zusammensetzung wohl unverändert aktuell (Cat. Lugt, 2010: 25).
Mit einem in Verbindung mit einem Baldachin einem Wappenschild plastisch aufgesetzten Totenschädel, durch dessen Kiefer sich eine Schlange als hier „Verkörperung von Sünde und Tod“ (Riese, Seemann’s Lexikon der Ikonografie, 2007, S. 371) ringelt, als Kopfstück unterhalb eines Stundenglases, aus dem sich zwei einen schweren Felsstein zum Schleudern haltende Skelettarme nach oben strecken, wie literaturbelegt Hans Holbein’s d. J. Wappen des Todes der ca. 1525er Totentanz-Folge entnommen. Darunter in einer Rotunde die drei Parzen. Beidseits jeweils Obelisk mit griech. Untertext – ΜΝΗΜΟΝΕΥΕ ΑΠΟΨΥΧΕΙΝ / Gedenke daß du sterben mußt – und unterschiedlich agierendem Totenkopf unter dem Kreuz auf der Spitze und zwei gleichfalls variierenden Schädeln am Sockel. Auf den teils von zwei Skeletten an Säulenstatt getragenen Quadern darunter ITER AD VITAM / Weg zum Leben. Nach innen flankieren die Skelette das unmittelbar unterhalb der den Lebensfaden spinnenden Schicksals-Göttinnen plazierte Rad des Todes, des Glückes, des Menschenalters mit acht sich auf der Achsenscheibe vereinigenden themenbezogen beschrifteten Speichen, deren Schlußworten die Endung mus fehlt.
Deren Komplettierung besorgt bei Andreani — nicht bei Ridinger! — , und bei ersterem auch nur im 2., endgültigen Zustand, ein auf der Achsenscheibe überkreuz sitzender Tod, dessen Rechte ein Täfelchen mit eben der fehlenden Endung MUS hält.
Ridinger ersetzt in eigenwilliger Abweichung – ein Übersehen der Erfordernis des mus ist auszuschließen – Tod + Täfelchen auf der Radnabe durch selbständige Schrift: zweizeilig umlaufend am Außenrand sowie als Mittelbeschriftung „SVM, vertas, omnib(us)q(e) idem.“ SVM als zugleich spiegelbildliches MVS.
Eingebettet in Laubwerk, siehe hierzu unten bei Moreau, beidseits auf dem Rad-Oberteil sitzend links Adam, rechts die den totbegründenden Apfel reichende, sehnsüchtig schauende Eva, wobei ihre Linke beziehungsvoll-lockend ihre rechte Brust liebkost. Adam, nicht zu ihr hinblickend, streckt seine Linke entgegen. Beider Hände treffen über einem Totenschädel zusammen.
Unterhalb des Rades und zugleich oberhalb eines offenen Sarges mit Totem — indifferent bei Andreani + Ridinger, bei Moreau, s. u., wohl eher Nonne als Mönch; Gnann, s. o., vermutet in ihm hohen Geistlichen — nebst Kreuz in den Händen der geflügelte Kopf von Vater Zeit, sprich Kronos als „Vorstellung von der alles verschlingenden Zeit“ (Riese, a. a. O., S. 251), beidseits flankiert von zwei großen Trauernden, über denen links ein Harfenkopf in Strahlenglanz, rechts eine Eule angesiedelt sind. Vor und unterhalb des Sarges ein großes Schrifttuch TRIA SVNT VERE QUAE ME FACIVNT FLERE / Da sind wahrlich drei Dinge, die mich weinen machen, flankiert vom symbolisierten geflügelten Tod, zwei kleinen Totenschädeln am Boden des Sarges, sowie geistlichen und weltlichen (Degen- + Lanzenspitze) Attributen der Vergänglichkeit samt zwei geschlossener Folianten als Verbindungsgliedern. Ganz außen auf den Sockeln der beiden Skelette zwei stehende Kleintode, jeweils eine ovale Schrifttafel haltend: MEMENTO MORI + MEMORARE NOVISSIMA. Das Gemäuer im übrigen durchsetzt mit Zeichen seiner Vergänglichkeit.
In seinem ikonographischen Reichtum unerreicht vom Kern von Ridingers teils extrem seltenen, aber eben doch bekannten Mementi, den Schabblättern Th.-Stillfried 1426-1431 und kompositorisch weit entfernt von deren letzten beiden, den von Johann Jacob nach Dieffenbrunner gearbeiteten brutal realistischen (1430 f.), bildet anstehendes Blatt möglicherweise den Beschluß dieser „faszinierenden (Gruppe der) Allegorie des Todes“ (Achim Gnann, ALBERTINA Slgn. Online, 2013) nach Fortuna, dessen Thema sich nach hiesigem flüchtigen Überblick zeitgenössisch gleich Andreani auch der ebenfalls in Siena tätige (1580-1603) Matteo Florimi (Florini; Radierung, 49,4 × 33,8 cm [19½ × 13¼ in]) annahm, gefolgt von Edmé Moreau’s (Châlons-sur-Marne 1597 – Reims 1660; Kupferstich, E. Moreau fecit & ex. Cum priuilegio.; Blattgröße 52,7 × 33,5 cm [20¾ × 13¼ in]) „ARC TRIOMPHAL DE LA MORT“, wobei letzterer neben hinzugefügter reicher seitlicher Betextung Wesentliches interessant verschob. So aus dem 2. Andreani-Zustand den im Rad-Zentrum überkreuz sitzenden Tod selbst als Felsschleuderer an die Spitze im Austausch gegen dortiges Stundenglas mit seinen den Brocken stemmenden Skelett-Armen + Wappenschild-Totenkopf, während letzterer nunmehr das auch hier gerundete Zentrum bestimmt. Dieses aber nicht als Rad, vielmehr – und das denn die eigenständige Fortentwicklung – aus dem Astwerk eines kompletten Lebensbaumes gebildet, dessen oberes Laubwerk bei Andreani/Florimi/Ridinger letztlich nur schwach motiviertes Füllsel ist. Und beidseits des Stammes denn Stundenglas und nur 7speichiges text- und bildfreies Rad. Darunter unter Verzicht auf die Trauernden und Vater Zeit gleich die/der Tote in voller Gestalt, mit dem Kopf unmittelbar unter dem rechtsseitigen Rad und somit an die Hl. Katharina denken lassend. Gebettet im übrigen sarglos auf tief nach unten fallendem Vorhang als eines Symbols des Geheimnisses, unterteilt von großem Kreuz mit 4fachem Totenschädel und sich beidseits anschließenden spärlicheren geistlichen/weltlichen Attributen. Den Beschluß bildet ein 4spaltiger Untertext. – Für vorstehende Vergleichs-Abbildung des Moreau-Exemplars gilt der Dank dem © Cabinet d’arts graphiques des Musées d’art et d’histoire, Genève, No d’inventaire: E 2011-0223.
Gesamthaft vorzügliches Exemplar mit Wortmarken-Wz. (wohl WANGEN) bei umlaufend feinem Rand um die Bildeinfassung. Nur hier und da knapp bis an diese beschnitten. Der gesamthaft gewissen Altersspurigkeit restaurativ professionell begegnet, wie auch die rückseitige (Wasser-)Fleckigkeit bildseits nur partiell ganz schwach durchscheint. Im schraffierten Randfeld unten rechts ein noch schwach sichtbarer Künstlerhinweis. Kurz, ein seinesgleichen suchendes Rarissimum.
Angebots-Nr. 29.131 | Preis auf Anfrage