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Kaiserlicher Dank
Der praktisch unbekannte
WAPPENBRIEF
Ridinger – Wappenbrief des Hofpfalzgrafen Ludwig Bartholomäus von Herttenstein für Johann Elias Ridinger. Handschrift auf Pergament. Augsburg 24. August 1746. Ca. 343 × 244 mm (13½ × 9⅝ in). 6 unnumerierte Blatt, davon die letzten 3 Seiten weiß. Mit dem
von den Ulmer »Voreltern ererbte(n‚vermehrten) Geschlechts=Wappen«
in Gouache-Malerei (11,5 × 9,5 cm [4½ × 3¾ in]). Marmorierter brauner Leder-Band d. Zt. mit blindgeprägter Deckelkanten-Zierleiste und leuchtend goldfarben reliefierten Brokatpapier-Innenspiegeln mit gouachiertem reichen Floral-Dekor sowie Transkriptions-Lasche auf rückwärtigem Spiegel. In nachträglichem farbig marmor. Pp.-Schuber.
Wappenbrief für Johann Elias Ridinger (Fol. 1)
Nicht bei Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, umfassend die Bürger der Reichsstadt Augsburg und die Inhaber höherer geistlicher Würden der Bischofsstadt Augsburg, ihrer Stifte und Klöster. Augsburg 1970.
Provenienz
Dr. Krauss
dessen hs. früher Namenszug
auf Vorsatz, verso oben links.
Hans Dedi
In dankbarem Gedenken
Sein
Schütze-Ex Libris
auf Vorsatz nach
Holzschnitt-Abbildung 63
des 1518er Crescentiis
Lindner 11.0405.04
Ridinger’s 1744er Begrüßung des Wittelsbacher Kurfürsten Karl Albert
bei dessen endgültiger Rückkehr via Augsburg nach München
als deutscher Kaiser Karl VII.
findet 1746er postumen kaiserlichen Dank mittels erblichem Wappenbrief.
(Dem) Kunstreichen Herrn Johañ Elias Ridinger (Detail Fol. 4)
» (Dem) Kunstreichen Herrn Johañ Elias Ridinger, aus Wohllöbl: Reichs Stadt=Ulm gebürtig, wohlangesehenen Bürgers und weitberühmten Mahlers, Kupferstechers und Kunst=Verlegers allhier in Augsburg … wormit er sich … auch um die edle Künsten unsterblich verdient, und durch unzahlbare Proben weit und breit bekañt, mithin vor andern
einer zimlichen Ehren=Belohnung würdig gemacht … «
Das offenbar allseits unbekannte
Spectaculum
der Ridinger-Sammlung Dedi.
Hiesigerseits einst vor Ort als Dias aufgenommen, ohne seitdem Gegenstand einer Beschäftigung oder gar Auseinandersetzung geworden zu sein, es war halt keine Sache der voll in Anspruch nehmenden Tagesgeschäfte. Kurz, mangels äußeren Anspruchs ruhte im wahrsten Sinne des Wortes die Serie in niemeyer’s Bildarchiv-Tiefen. Augenreibend wahrgenommen nunmehr als ihr Original! Und, so Sie möchten, sind nun Sie am Zuge.
Verleihungsanlaß waren zweifelsohne — Ellen Spickernagel nennt Ridinger 2016 resümierend einen
» Künstler und versierte(n) Geschäftsmann « —
Ridinger’s 1744er brandaktuelle Bezeichnung und Betonung der kurfürstlichen Schlösser Nymphenburg/München + Lichtenberg/Lech als
nunmehr »kaiserliche«
auf seinen beiden ausdrücklich mit 1744. datierten Radierungen
»… diser wohlgerichte Hüner Hund bey dem Keyserlichen Lustschlosse Nymphenburg«
J. E. Ridinger fec. et excud. 1744. (Untertext von Th. 274)
a) Thienemann 274 / Anno 1734. Ist diser wohlgerichte Hüner Hund bey dem Keyserlichen Lustschlosse Nymphenburg in den Fasanen Garten in der Action wie er vorgestanden nach dem Leben gezeichnet worden. 36,8 × 28,1 cm (14½ × 11 in) / hier aufliegend in zeitgenössischem Abdruck bzw. dessen 1744er originaler Kupfer-Druckplatte in ihrem rotgoldenen Glanze als eines weltweiten Unikats nebst empfohlener rahmenloser Aufhängungs-Vorrichtung zwecks jeweiliger schönster Licht-Reflexe und
b) hier nicht aufliegender Th. 275 / Ein Hirsch mit einem Stuck Wild und Hirsch Kalb in der Ruhe. Nach der Natur im Walde bey dem Kayserlichen Lust Schloß Lichtenberg gezeichnet.
mit denen er solchermaßen dem im Oktober gleichen Jahres nun endgültig als
Kaiser Karl VII.
nach München zurückkehrenden Kurfürsten Karl Albert seine Reverenz erwies. Von Frankfurt kommend, war dieser am 19. Oktober 1744 in Augsburg eingetroffen, von wo er am 21./23., s. u., weiterreiste.
Im Gegensatz hierzu wurde die Datierung der Vorzeichnung – 1744 oder 1745 – des Reiter-Porträts des Kaisers (Th. 824) zur Folge der Fürstlichen Personen zu Pferde in der Version deren teils von den Kupfern abweichenden malerischen Entwurfs-Zeichnungen Weigel, Ridinger-Appendix 519 (»sind mit den Jahren 1744-1747 bezeichnet«) gleich allen anderen 15 Blättern — darunter auch Karl’s erst am 13. 9. 1745 gewählter Nachfolger Franz I. und Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorf als kaiserlicher Feldmarschall (1743/44; entsetzte 1743 München) — nicht aufs Kupfer übernommen, wie andererseits die Serie der zu übertragenden Vorzeichnungen (Weigel 518) undatiert blieb. Karl’s Reiter-Porträt dürfte somit eher anschließend als zeitgleich mit den beiden »Schlösser«-Kupfern publiziert worden sein.
Als rechtmäßiger Nachfolger des Habsburgers Karl VI. am 24. Januar 1742 als zweiter und letzter der Wittelsbacher — Ruprecht von der Pfalz regierte lediglich als König (1400-1410) — in Frankfurt/M. zum Römisch-Deutschen Kaiser gewählt und am 12. Februar von seinem Bruder Clemens August, Kurfürst von Köln, gekrönt, hielten Karl VII. (1697-1745) die Wirren des von Karls VI. († 1741) Tochter Maria Theresia angezettelten und für Bayern ungünstig verlaufenden sogenannten Österreichischen Erbfolgekriegs in Frankfurt
— wo Goethes Vater ihm seinen »Kaiserlichen Rath« verdankte
und die Mutter von den melancholischen kaiserlichen Augen schwärmte —
erniedrigend zurück, nachdem das kriegerische Glück seinen am 19. April 1743 vollzogenen ersten Einzug in München auf nur wenige Wochen beschränkt hatte. Bei endlichem Einzug dortselbst, Oktober 1744, erwies ihm der »versierte Geschäftsmann« Ridinger seine Reverenz mittels siehe oben. Was sich umsomehr anbot und dank bewußter »Spezialisierung« im Kreise der Augsburger Konkurrenz
— (so Spickernagel statt, besser, aus der Persönlichkeit heraus erwachsenen,
wie Malerfreund Kilian ihn indirekt zitierte: » … vielmehr ein gütiges Geschenk der Vorsehung … welche diesen Trieb schon in seiner Jugend und zwar so unüberwindlich stark in ihm eingepflanzet habe, daß er denselben nie unterdrücken können «) —
sich umso eleganter arrangieren ließ, als in diesem kaiserlichen Kommen, Gehen + Wiederkommen gemäß Neutralität-Vertrages des schwäbischen Kreises vom 27. September 1741 das neutrale
Augsburg als Zwischenstation erste Adresse
war, wie sehr schön neunzig Jahre später von Anton von Barth zu Protokoll gegeben:
1743
» Der Krieg wegen der Erbfolge in den Österreichischen Erblanden und
Karls VII. Anwesenheit in Augsburg
… allein nach dem am 21. Juli 1742 zwischen Oesterreich und Preußen geschlossenen Frieden eroberten die Oesterreicher nicht nur Böhmen, sondern auch Bayern wieder und Karl Albrecht (als bereits Karl VII.) mußte zum zweiten Male sein Heil in der Flucht suchen.
» Er wählte Augsburg als eine neutrale Stadt zu seinem Aufenthalt, und kam den 6. Juni 1743 Abends um 6 Uhr … dahier an. Das gesammte Linien= und Bürgermilitär stand … in Parade, und gab bei der Ankunft des Reichs=Oberhaupts eine dreimalige Salve, eben so oft wurden die Kanonen auf den Wällen abgefeuert. Bei dem Aussteigen aus dem Wagen brachte eine Deputation des Senats die erste Huldigung der Stadt dar … An dem kurz darauf eingetretenen Fronleichnamsfeste wohnte der Kaiser mit der ganzen Familie und dem gesammten Hofstaate der feierlichen Prozession bei.
» Da die Oesterreicher vor des Kaisers eigenen Augen sich Meister von Friedberg [bei Augsburg] machten … und die vielen, die neutrale Stadt besuchenden ungarischen und österreichischen Offiziere durch ihr Betragen den Kaiser beunruhigten, so verließ derselbe Augsburg, und reiste am 26. Juni 1743 Morgens halb 4 mit dem Kronprinzen in der Stille nach Frankfurt ab … «
1744
» Inzwischen schloß Frankreich mit Preußen, Pfalz und Hessen=Kassel unter dem Namen der Frankfurter Union einen Bund, in dessen Folge Preußens König in Böhmen einfiel, und dadurch Bayern von den Oesterreichern befreite. Es kam daher am 19. Oktober 1744 Nachmittags um 4 Uhr
der Kaiser auf seiner Rückkehr aus Frankfurt
nach dem wiederbefreiten Münchenin Augsburg an, und reiste am 21. Oktober nach München ab.
— Allgemeine Deutsche Biographie XV (1882), 225: Am 23. Oct. 1744 kehrte der Kaiser unter dem Geläut aller Glocken und dem Jubelruf des Volks in seine Hauptstadt zurück … —
» Die Kaiserin und der Kronprinz verfügten sich erst im nächstfolgenden Monate von Frankfurt nach München zurück, dieser kam am 18. November, jene am 28. desselben in Augsburg an … Abends um 7 Uhr brachte eine Deputation unter starker Fackelbeleuchtung die reichsstädtischen Geschenke für die Kaiserin … Den folgenden Tag reiste die Kaiserin mit ihren Töchtern und dem ganzen Hofstaate … nach München ab. «
Daß auch nach dem schon am 10. Januar 1745 in München eingetretenen Tod Karls VII. für die kurfürstliche Familie — der Kronprinz hatte in Einschätzung der Machtverhältnisse auf seinen kaiserlichen Erbanspruch verzichtet — Augsburg unverändert die Lokalität welche blieb, sei in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber erwähnt und von Barth aus Die Anwesenheit des Churfürsten Maximilian Joseph in Augsburg … wie folgt weiter zitiert:
» … Da (Maximilian III. Joseph) zweifelte, daß er in dem bereits von den Oesterreichern mit Vortheile begonnenen (erneuten) Feldzuge unbezwungen sich werde behaupten können … ließ (er) sich mit Maria Theresia in Friedens=Unterhandlungen ein, wovon die Präliminarien in Augsburg, der Hauptvertrag aber zu Füssen am 22. April 1745 unterzeichnet wurden. «
Währenddessen nichtsdestotrotz Maximilian Joseph sich wiederum »acht Tage lang« besser in Augsburg aufgehoben wähnen mußte.
Welch zeitliche Streckung Ridinger’s Reverenz-Marketing ungemein förderlich war
sowohl für »Produktion« der beiden »kaiserlichen« Radierungen als auch deren unmittelbare Übermittlung. Daß es zudem bei Hofe »angekommen« war, macht anstehende Erhöhung mehr als deutlich:
Wappenbrief für Johann Elias Ridinger (Fol. 6)
» und Ich anbeÿnebens angesehen und betrachtet die ehrbare Herkunft, gute Vernunft, Tugendsame Aufführung, unermüdeten Fleiß und ausnehmende Geschicklichkeit, deß WohlEhrenvesten und Kunstreichen Herrn Johan̅ Elias Ridinger, aus Wohllöbl: Reichs Stadt= Ulm gebürtig, wohlangesehenen Bürgers und
weitberühmten Mahlers, Kupferstechers und Kunst=Verlegers allhier in Augsburg,
wormit er sich nicht allein beÿ hohen und nideren Standes Persohnen beliebt, sondern auch um die edle Künsten unsterblich verdient, und durch unzahlbare Proben weit und breit bekan̅t, mithin vor andern einer zimlichen Ehren=Belohnung würdig gemacht; alß habe zu Bezeugung meiner besondern Achtung und Zuneigung vermög habenden Kaÿ: Freÿheit mit wohlbedachtem Muth und rechtem Wissen vorgedachtem H: Ridinger,
seinen jezig und künftigen Ehelichen Leibes=Erben,
und derselben Erbens=Erben absteigender Linie
für u: für zu ewigen Zeit(e)n
sein von seinen Voreltern ererbtes Geschlechts=Wappen
aus eigener Bewegung folgender gestalten bestättiget und vermehret, wie solches nach seinen eigentlichen Farben auf der andern Seite diß Blatts gemahlt, und nach heraldischer Arth [also immer aus der Sicht des Schildträgers, nicht des Betrachters] beschrieben ist … gebe, gön̅e, erlaube u: verleÿhe Jhme auch solches von und aus obberührter Höchster Gewalt und Freÿheit, mit Urkund diß Brieffs, daß nun hinfüro vorgemeltter Herr Ridinger … solch obbeschrieben Wappen und Cleinod mit Schild und Helm haben, führen u: sich dessen in allen und jeden ehrlichen, endlichen Sachen und Geschäften, zu Schimpff und Ernst, im Streiten, Stürmen, Kämpffen, Gestechen, Panieren, Gezelt, Aufschlagen, Insiglen, Pettschafften, Kleinodien, Gemählden, Begräbnussen und sonst an allen Orten und Enden nach ihren Ehren , Nothdurft, Willen und Wohlgefallen gebrauchen, auch all u: jede Gnad, Freÿheit, Ehr, Würdt, Vortheil, Recht und Gerechtigkeit haben, sich deren gebrauchen, erfreuen und geniessen sollen und mögen, mit geist= und weltl: Ämtern und Lehen zu empfahen, zu halten und zu tragen, auch zu andern geist= und weltl: Sachen, Geschäften und Gerichten gleich andern des Hl. Röm: Reichs Wappen und Lehen … sich derselben Freÿheiten zu gebrauchen und geniessen, von Rechts oder Gewohnheits wegen, von allermän̅igl. unverhindert. Ersuche darauf alle und jede hohe und nidere Obrigkeiten und Gerichte, geist= und weltl.e, was Würden Stand und Weesen die seÿn, nach Standes Gebühr und Unterschied,
Sie wollen vorgemelten Herrn Johan(n) Elias Ridinger … (Detail Fol. 8)Sie wollen vorgemelten Herrn Johan(n) Elias Ridinger, seine jezig= und künftige
ehel: Leibes=Erben u: derselben Erbens=Erben, ewiglich
an dem obbeschriebenen Wappen und Kleinod, nicht hinderen noch irren,
noch durch ihre nachgesezte Beamte, Bürger und Unterthanen hindern noch irren lassen,
sondern, wie obsteht, ruhigl: gebrauchen, geniessen, und gänzl: darbeÿ bleiben lassen, in keiner Weiß, alß lieb einem jeden Kaÿ: Mjt: u: des Reichs schwehre Ungnad und Straff, darzu die meinem Comitiv einverleibte Pone Sechzig Marck löthigen Goldes, die ein jeder, so offt er freventlich hierwider thäte, halb in Kaÿ: Mjt: und des Reichs Cam(m)er, und den andern halben Theil Mir und meinen Erben unnachlässig zu entrichten; doch anderen so vielleicht dem obbegriffenen Wappen und Cleinod gleich führeten, an demselben ihrem Wappen und Rechten unvorgrifen und unschädlich. «
Die Rückführung des Briefes
auf die 1744er »kaiserlichen« Arbeiten in sich schlüssig.
Als auf ersten Blick hin geradezu ins Auge stechend zunächst zeitlich. Dann lokaliter, geschuldet den Zeitläuften. Die den Kaiser wiederholt nach Augsburg führten. Die den Kaiser aber auch regelrecht demoralisierten (» – krank, ohne Land, ohne Geld, kann ich mich wahrlich mit Job [Hiob], dem Mann der Schmerzen, vergleichen «, so am Tage nach der »mit einer Pracht und einem Jubel ohne Gleichen« vollzogenen Krönung mit Brief an seinen damaligen Feldmarschall, den Grafen Törring). Da wärmt jede Aufmerksamkeit, mehr noch, Zuneigung, kommt sie von sich nicht verpflichtet fühlen müssender Seite.
Leuchtend goldfarben reliefierte Brokatpapier-Innenspiegel
mit gouachiertem Floral-Dekor
Daß der keine drei Monate nach Rückkehr schon tote Kaiser an der Ridinger zuteil werdenden Ehrung tatkräftigen Anteil genommen hätte, ist dennoch unwahrscheinlich, als letztlich Sache anderer, dazu Bestellter. Anregung und ins Wasser geworfener Stein reichen aus. Aufzunehmen und weiterzuverfolgen eben seitens des zuständigen Kaiserlichen Hofpfalzgrafen. Ob dies im Anfangsstadium schon der schließlich vollziehende Edle Herr und Ritter von Herttenstein war, muß hiesigerseits dahingestellt bleiben. Dem Brieftext folgend, war er es formal zumindest nicht. Denn gleich eingangs führt er sein Amt und Tätigwerden auf »vermög von dem … Herrn Maximiliano Josepho … alß nach Absterben des weÿl: …
Herrn CAROLI VIImi: erwählten Römischen Kaÿßers … glorwürdigsten Angedenckens«
als dessen Sohn und nunmehrigen Kurfürsten von Bayern zurück. Und folgend »von höchster Reichs Vicariats Macht und Gewalt halber sub dato München den 17. Sept. Ao 1745. … mit der Würde eines Kaÿ: Hoff.=Pfalz=Grafen begnadiget …«. Das war vier Tage nach der Wahl Franz I. zum deutschen Kaiser als Nachfolger Karls VII. Die ganz offensichtlich unbeschadet kaiserlichen Brauchs, fürstlichen Landesherren und namentlich Kurfürsten das Privileg zu erteilen, stellvertretend Hofpfalzgrafen selbständig zu ernennen, abgewartet werden sollte, eher wohl mußte. Denn im weiteren Briefverlauf wird unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Franzens Wahl am 13. explicit ausgeführt, daß
» alle und jegliche während dem lezt vorgewesenen Interregno von dem heimischen Vicariat vorgenom(m)ene Handlungen und Verleÿhungen sowohl in Justiz= alß= Gnaden Sachen , folglichen auch sothane Freÿheit allermildest bestättiget und begnahmiget worden «.
Was alles den Schluß stützt,
daß der Wappenbrief-Gnadenakt für Ridinger
spätestens in eben diesem Interregnum eingeleitet worden ist und
einem Wollen Karl’s VII. folgt.
Und daß dessen schlußendlicher Vollzug per erst Augsburg den 24. August 1746 allein dem Zeitrahmen bürokratischen Procederes folgt. Und sei’s im Sinne von Erwin Schmidts Anmerkung, wonach ausgerechnet »Die mächtigeren Territorialherren, besonders die Kurfürsten … der Tätigkeit der Hofpfalzgrafen überhaupt Hindernisse in den Weg legten …«.
Ludwig Bartholomä Edler Herr von Herttenstein Comes Palatinus Caesareus ..ria
Ob Hert(t)enstein (Ulm 1709 – Augsburg 1764) bereits unter Karl Albert/Karl VII. Hofpfalzgraf war und von Maximilian Joseph lediglich bestätigend privilegiert wurde, muß hier offenbleiben. Immerhin aber war er schon als 32jähriger einer der drei Richter des Augsburger VICARIATS=HOF=GERICHTS als nach dem Tode Karls VI. 1740 höchster Reichsgerichtsbarkeit.
» (Da) kein römischer König vorhanden war, entstand ein Zwischenreich, das zwei Jahre dauerte, welcher Zeit die Churfürsten von Bayern und der Pfalz die Reichsverwesung in den schwäbischen, fränkischen und rheinischen Ländern nach den bestehenden Verträgen übernahmen und Augsburg zum Sitz (besagten Gerichts) erwählten. Am 1. Februar 1741 … erfolgte die feierliche Installirung desselben … Der Vorstand (Präsident) dieses Gerichts … wurde, gleich einem Churfürsten, von der Stadt … (reichst mit Wein und Naturalien) beschenkt. Unter den drei Mitgliedern waren auch die zwei Stadt Augsburgischen Rathskonsulenten, die Lizentiate … und … von Hertenstein « (Barth, a. a. O., Seiten 87 f.).
Letzterer, 1731 in Straßburg zum Lizenziat promoviert, wurde 1734 Stadt-Conculent in Ulm und 1739 dasselbe in Augsburg, wo er am 12. Januar 1741 zum Vicariats-Assessor avancierte. Am 15. Mai gleichen Jahres folgte der Aufstieg zum Ritter des Hl. Römischen Reichs, wohl der Anlaß einer auf ihn geprägten Silbermedaille (3,53 cm, 12,44 g), deren »Vorderseite … zeigt das Wappen von Herttensteins bestehend aus Herzschild und zwei Helmen. Die Rückseite zeigt eine 11-zeilige Inschrift, die den beruflichen Werdegang Ludwig Bartholomäus von Herttensteins beinhaltet« (Kathleen Schiller), dem hier gefolgt wurde. Also noch ohne das Hofpfalzgrafenamt. Sein Porträt schuf Georg Christoph Kilian (1709 Augsburg 1781; Freund Ridinger’s, s. u.), der 1742 auch das Karl’s VII. schuf (Nagler 1: in Lebensgrösse, ein sehr grosses Schwarzkunstblatt von mehreren [Thieme-Becker: zwei] Platten).
Daß nach Wikipedia (29. Oktober 2017) noch vor dem von Kaiser Karl IV. 1360 ausgestellten ältesten Adelsbrief
der älteste bekannte Wappenbrief 1338 von Kaiser Ludwig IV., dem Bayern,
als dem ersten der drei Wittelsbacher Kaiser ausgestellt wurde, mag zu Recht als reizvolle Zutat zum heutigen des dritten und letzten gewertet werden. Umsomehr, als eben beide derselben, der bayerischen, Linie zugehören, der zweite indes der älteren Pfalz-Linie entstammte. Zur Historie der Wappenbriefe generell Wikipedia nicht streng wörtlich weiter:
» Wappenbriefe oder auch Wappendiplome sind formale Dokumente, die ein bestimmtes heraldisches Abzeichen einer Person, Körperschaft, Stadt etc. zuordnen. Einen Wappenbrief erhielten ursprünglich schon im Mittelalter nichtadlige Ritter über das vom König verliehene Wappen … (Es) sind zum Zeichen der Anerkennung an einzelne Personen oder Familien von einem Landesherren ausgestellte Urkunden, nicht gleichbedeutend mit einer Erhebung in den Adelsstand. Wappen- als auch Adelsbriefe entstanden im 14. Jahrhundert und wurden zunächst vom Kaiser oder dessen Hofpfalzgrafen ausgestellt und verliehen. Der Wappenbrief verlieh dem Besitzer mitunter — wie letztlich hier ! — durch seinen Inhalt alle damaligen Ehren- und Vorzugsrechte des Adels. Wenn die Empfänger der Wappenbriefe und ihre Nachkommen das Wörtchen »von« nicht vor ihren Namen setzten, so entsprach das einer damaligen Sitte. Als dies dann Anfang des 18. Jahrhunderts gebräuchlich wurde, geschah es unbeanstandet. «
Und zur Praxis Erwin Schmidt wie schon oben:
» Es konnte aber nicht ausbleiben, daß mit der Zahl der Verleihungen der Wert und das Ansehen der Hofpfalzgrafenwürde sank. Um die Wende des 17. Jh. kam es auch wegen des mit dem Privilegium getriebenen Mißbrauchs soweit, daß angesehene Gelehrte den Besitz der Würde verschwiegen … (Seite 5).
» … bürgerliche Wappen zu verleihen, konnte leicht in Schwierigkeiten führen. Nur solche, die sich in der Heraldik auskannten, und solche, die sich aus Neigung damit beschäftigten, haben dieses Recht in größerem Umfange ausgeübt. So sind die 175 von dem Hofpfalzgrafen (Franz) Rasso Gotthardt um 1600 verliehenen Wappen oder die zahlreichen des päpstlichen und kaiserlichen Hofpfalzgrafen (auch die Sultane des Osmanischen Reiches bedienten sich solcher) Walter Grandi Freiherr von Sommerritt eine Besonderheit « (Seiten 13 f.).
Für die spätere Zeit lassen sich Schmidts Hinweise auf Mißbräuche bei gleichwohl Begrenztheit der Verleihungen als Regel durchaus ausweiten, als diese Briefe zu Gunsten bald kaiserlicher, bald päpstlicher Kasse oder denen der von ihnen solchermaßen begnadeten Auszuführenden käuflich wurden und damit auf Ablaßbrief-Niveau absanken. Und solche Käuflichkeit war denn wohl auch dem Hofpfalzgrafenamte selbst nicht mehr ganz fremd, wenn Herttenstein hier ausdrücklich betont, unentgeltlich mit dieser Würde begnadigt worden zu sein, bevor mit Ende des Hl. Römischen Reichs 1806 sich das Amt von selbst erledigte. Doch im Rückgriff auf Schmidts Mißbrauch-Obiges bezüglich eines Verschweigens der Hofpfalzgrafenwürde drängt sich fast schon die Frage auf, ob — »Geschäftsmann« hin oder her —
Ridinger die Verleihung des Wappenbriefes
partout und erfolgreich unter den Teppich gekehrt hat.
Denn in den hier reichen Unterlagen
bis hin zu den teils bis zum Tode fortgeführten biographischen
Aufzeichnungen Kilian’s in ihren zwei Versionen
findet sich nirgends auch nur eine Andeutung desselben.
Eben ganz im Sinne von Kilian’s und seitens der Söhne übernommenen Charakterisierung: »Prangt also gleich sein Name nicht mit vielen Ehrentiteln, nach welchen er niemals gestrebet«.
Um als immerhin die beiden einzigen und erst in späten Jahren innegehabten Ehrenämter voranzustellen: 1757 Assessor am Evangel. Ehegericht, 1759 Direktor der Stadtakademie. Und dann kein Wort zu einer ein gutes Jahrzehnt zuvor erhaltenen »Ehren=Belohnung«? Ausgesprochen
» zu Bezeugung meiner besondern Achtung und Zuneigung vermög habenden Kaÿ: Freÿheit mit wohlbedachtem Muth und rechtem Wissen … « ? ?
Ist es da »ein zu weites Feld« … (der alte Briest bei Fontane) angesichts – hier zumindest – fehlender Siegelung nebst hs. Unterschrift (?) zu erwägen,
der Vollzug der Verleihung
könnte gestoppt worden sein ?
Vergessen wir nicht: »… den ›harmlosen‹ Ridinger landläufigen Urteils hat es gottlob nie gegeben«.
So erschienen 1744 innert des großartigen Schaffensjahrzehnts nicht nur die beiden klientelenoblen Schlösser-Kupfer, sondern auch der bildmächtige Elefant als Blatt 7 (Th. 771) der subskriptionsweise ab 1743 (Bll. 1-5) erschienenen 16blätt. Stammfolge der Fabeln mit dem Untertitel Die Rache eines niedrigen an einem mächtigern ist schädlich, für die 1825er Neuabzüge unverblümter umgetitelt in »Ohnmächtiger Grimm bereitet sich selbst den Untergang«.
Und etwa 1745 Blatt XIII Pracht und Herrlichkeit macht niemand gescheiter, 1825 »Im Gefolge der Höhern Würden ist nicht immer ein erleuchteter Verstand«.
Und Blatt XV Auch kleine u: geringe habe(n) etwas, warum sie vo(n) de(n) Große(n) u: Mächtige(n) nicht zu verachte(n) sind bzw., 1825,
»Verachte nicht den Geringen, dem die Natur oft Vorzüge einräumt, welche sie dem Mächtigen versagt«.
Und vielleicht war auch von jenen spätestens vor 1747 fertiggestellten ersten vier Blättern der Folge der BIG FIVE (Kämpfe reißender Thiere, Th. 716-723) etwas durchgesickert, mit denen Ridinger Arm in Arm mit Dichterpapst Brockes mit deren Kühnheit gleichzieht und in Vorwegnahme der Epoche des Sturm + Drang per raffiniertest verpackter Verpackung ein denkbar aggressives geistiges + gesellschaftspolitisches Vor-1789er Credo ablegt. Und sie daher doch lieber bis 1760 vom Markt fernhielt. Bargen deren Untertexte doch für die, die lesen konnten/wollten, Sprengstoff wie
» … das des Tyrannen Last erdrückt ! / … seines Feind’s erhab’ner Stand ,
In vortheilhaffter Stellung … / Hier zeigt sich die Gerechtigkeit ,
hier wird die Grausamkeit gestrafft « .
Und mit Blick auf den Alexander-Kult der Zeit, dem auch Kurfürst Maximilian Joseph’s Großvater – Maximilian II. Emanuel – durch eine sein Schlafzimmer einbeziehende Suite der Münchner Residenz gehuldigt hatte, bei Gleichsetzung des Raubtiers mit Alexander dem Großen »Der wütige Leopard (recte Tiger) wie er einen Esel zerreißt« :
» … Sollt eines Welt Bezwingers Blick, wohl nicht viel scheußlicher noch sein? Noch größer Grausen uns erwecken? u. muß, bey ungezehlten Leichen, Die sein barbarisch Wort zerfleischt, ihm dieses Thier an Wuth nicht weichen? Der Hunger spornt den Leoparden, den Alexander Übermuth. Vergießet jener eines Thieres, vergießt der gantze Ströhme Blut. Von 50000 seines gleichen, durch eiserne gekauffte Klauen, Komm laß den(n) einst uns wo du kanst, ein Bild vom Wilden Sieger schauen. Sein Blick, wofern du ihn recht trifst, geht diesen Mordbegierigen Thier An Wüten, Grimm, an Raserey und Gräßlichkeit gewiß noch für. «
In philosophisches Erz gegossen 150 Jahre später von Nietzsche in Homers Wettkampf:
» … der Tiger schnellte hervor , eine wollüstige Grausamkeit blickte aus seinem fürchterlichen Auge. «
Letztbezüglich auch nicht zu übersehen, daß Ridinger nach vorausgegangenen monumentalen Ruhmes-Scenen von Halicarnassos und der Tigris-Querung bei Bedzabde mit unveröffentlicht gebliebener 1723er Zeichnung die kunsthistorisch wohl erste Darstellung des Geschehens am Hyphasis im Pandschab im Sommer (31. August?)/Herbst 326 v. Chr. als der »einzige(n) je erlittene(n) Niederlage Alexander’s« schuf und damit gleichzeitig das bisherige Historienbild von der Darstellung heldenhafter Taten zur Reflexion über dieselben zwei Generationen vor Jacques Louis David vorwegnehmend fortentwickelte.
So könnte nach Obigem auch noch ein Schritt weiter gegangen und gefragt werden , ob etwa
diesem Ridinger, den »Geschäftsmann« vergessend,
diese Resonanz schlichtweg zu weit ging?
Welch letztere Frage schon unter dem Aspekt des überschaubaren Zeitrahmens des Procederes gleichwohl weniger plausibel erscheint. War es doch das alte Familienwappen, das nunmehr, vermehrt, kaiserlich bestätigt werden sollte und damit erst offiziellen Status erlangte. Und diese Wappenvorlage dürfte Ridinger ebenso selbst beigetragen haben, wie dessen Vermehrung sichtbar auf Eigenes zurückgeht. Und zwar lokalmäßig bezugreich auf den Starnberger See nächst München. Und auf Ridinger’s dortiges Anno 1736. im Walde beÿ Stahrenberg nach der Natur gezeichnet als Vorlage für das 1746/48, wohl aber kaum vor 1747 erschienene gleichnamige Kupfer Th. 293 als Blatt 51 der seit etwa Ende der 1730er/Anfang 1740er peu à peu herausgegebenen Wundersamsten Hirsche. Wobei explicit die Gesichter deren Tierzeichnung aber eher an die Ausführung des gesamthaft sehr feinen Ganzen seitens eines professionellen Wappenmalers denken läßt. Welch letzteres ein in medias res gehen zugleich wieder in Frage stellt.
Zur Vergegenwärtigung :
Der Wappenbrief datiert von August 1746. Das auf ersten Blick hin — und nur auf solchen ! — beizuziehende Starnberger-Motiv-Kupfer ist mit frühestens gleichen Jahres anzusetzen, sicherer indes mit gedachtem wohl aber kaum vor 1747. Womit ein allgemein zugänglicher Rückgriff praktisch ausscheidet.
Zeitlich unbedenklich hingegen ein hier durchgelaufenes, auf dieselbe 1736er Starnberger zeichnerische Aufnahme zurückzuführendes gesichertes Öl in heute rheinischer Privatsammlung. Mit 19 x 28,2 cm kleiner als das Kupfer Th. 293 (Bildgröße 21,7 x 33,4 cm), läßt es in der Behandlung des Wassers letzteres als geradezu hölzern signifikant hinter sich.
Aber gerade diesem malerischen Charme folgt die sanft ansteigende Ufer-Partie des Wappens mit den beiden Tieren. See nebst Würm-Abfluß stehen in Öl und Wappen in stimmungsmäßigem Einklang. Wie denn auch der fließend abfallende saftige Bewuchs des vorderen Felsblockes des Öls mit dem Schaumfluß des Wappens kommuniziert.
Und das eine wie das andere zeitlich nicht minder. Gilt für das Öl doch ein Zeitrahmen von nicht vor 1736 als der zeichnerischen Aufnahme und 1746 als quasi Beschluß der allgemeinen Maltätigkeit.
Inwieweit Kupfer oder Öl der 1736er zeichnerischen Vorlage am nächsten stehen, muß mangels Kenntnis deren tatsächlichen Bildinhalts als hier nicht nachweisbar dahingestellt bleiben. Denn bei der von Thienemann (1856, S. 276, n) rein numerisch gelisteten Vorzeichnung zu 293 könnte es sich, da den Weigel-Bestand betreffend, sehr wohl um die im 1869er Weigel-Katalog des zeichnerischen Ridinger-Nachlasses unter Pos. 130 beschriebene handeln, die sich aber zunächst einmal als Vorzeichnung zu Th. 241, dem Mitternachtsblatt der Hirsche aus deren Vier Tageszeiten erweist und denn auch abweichend und ohne Datum mit Nach der Natur bey Starenberg am See gezeichnet bezeichnet ist. Zum Kupfer Th. 293 trägt sie kaum bei.
Ein weiteres Mal um ein und dieselbe hier nur marginal interessierende Zeichnung dürfte es sich bei der wortgleich unterschriebenen – also kein »Anno 1736. im Walde …« à la Th. 293 ! – der Sammlung Coppenrath »Hirschrudel am Ufer / Zu Th. 293« (Abt. II, 1889, Nr. 1918) handeln, zumal etliche deren Blätter gleichfalls auf Weigel zurückgehen.
Spätestens die Formensprache dieses Öl aber war Dritten nicht allgemein zugänglich. Dessen Gesamtkomposition beinhaltet Besonderheiten, wie sie nur dem Künstler selbst nicht nur handwerklich, sondern vor allem auch geistig präsent sein konnten. Besonderheiten, die bald einzusetzen, bald auszulassen allein seinen ureigensten künstlerischen Intentionen unterlagen. Und nur aus denen heraus sie ihren kompositorischen Sinn erhalten. Wie eben ein im Grunde so marginales Feindetail wie gedachter Bewuchs des Felsblockes ebenso wie der rechts abschließende gewichtige Felseinschub, die beide im Kupfer ganz sichtbar bescheidener ins Glied zurücktreten, das seinerseits andere Prioritäten setzt. Aber im Abendblatt (Th. 240) der mit ca. 1746 ansetzbaren Tageszeiten-Folge wird Ridinger auf den Felsen zurückkommen. Und ihn nun als Mittelstück in seiner ganzen Breitfront präsentieren. Als Rückfront eben jener, lediglich um ein Tier zurückgenommenen, Hirsch-Gruppe, der er im Öl seitlich benachbart ist.
Es scheint, daß im Öl das Wollen von Lokaltreue und Präsentation von Brunftrudeln gleichgewichtet, die Kupferdarstellung Th. 293 aber dem Thema der Gesamtfolge untergeordnet wurde, eben der Darstellung zoologisch »wundersamster«, sprich, merkwürdiger Hirschgeweihe. Um in der Tageszeiten-Suite wiederum anderem Vorhaben zu folgen.
Im Wappen also klingt explicit die Stimmung des Öls wider. Und damit via See nicht zuletzt dessen ikonographischer Gleichklang mit der Tageszeiten-Suite. Denn
» Hirsche am Wasser in gebirgiger Landschaft spielten auf den berühmten Psalm 42,1 an ›So wie der Hirsch nach frischem Wasser dürstet, so strebt meine Seele nach Dir, Herr‹ und wurden zur Chiffre für die ›anima christiana‹ «
(Justus Müller-Hofstede gelegentlich der 1985er Kölner Savery-Ausstellung zu den flämischen Kabinettstücken um 1600 mit ihren durchschnittlich etwa 20 x 25 cm).
Das alles aber ist ureigenster Ridinger. Womit er einen gedachten Wappenmaler in direktem Kontakt vertraut gemacht haben mag oder es in eine Vorlage hat einfließen lassen. So ihm die Ausführung der Pergament-Malerei nicht gleich selbst übertragen worden ist und deren hier irritierende Gesichter deren Miniaturhaftigkeit geschuldet ist, wie für Ridinger als hier nicht belegbar noch unbekannt. An eine Werkstattarbeit zu denken erschwert der Anschein, daß die Ridingers in der Regel en famille gearbeitet haben. Als regelrechter Schüler bei noch einigen sich anschließenden Gesellenjahren bekannt hier nur Johann Jacob Haid und für eine Winter-Lernzeit Georg Christoph Kilian, siehe unten. Schließlich mag bei dieser Gelegenheit aber auch nicht unausgesprochen bleiben, daß es hier bei schon so manchem gesicherten Krauter-Gesicht gehießen hat Aus dem Kontext genommen, Freundchen, dürftest Du uns schwerlich als Ridinger daherkommen.
Und unter diesen Vorbehalten – und nur so – erscheint ein authentisch vertretbar. Um bei Gesamtgewichtung schlußendlich nicht zwangsläufig sagen zu müssen, die Authentizität dränge sich nahezu auf.
Doch zurückkommend auf beide obigen Fragen – Stopp des Verleihungsvorgangs / Zurückschrecken Ridinger’s – so könnten sie sich eines Tages von selbst erledigen. Gesichert aber schon für hier und heute
daß der Meister
Jegliches um den Wappenbrief herum ignoriert hat.
Und es die Erben-Söhne nicht anders hielten. Geradezu kaltschnäuzig.
Denn anders ist dessen Unbekanntsein bis hin zum in Sachen Ridinger-Ruhm für den Meister eher zu lauten Kilian nicht zu erklären.
Und gerade das macht diesen Brief so wichtig.
Weil das Schlaglicht auf die Persönlichkeit werfend.
Gut lesbar und tadellos frisch , nur leichter alter Farbabschlag vis-à-vis des Wappens. Oben/unten ca. 5,5-6, an den Seiten 4-4,5 cm breitrandig, nur die reich kalligraphierte Eröffnungs-Seite oben + rechts bis an Kante, unten mit 1 cm + links unterhalb der bis auf Kante stehenden Initiale mit 5,5-6 cm Rand. – Die erste Seite des alten Bütten-Vorsatzes leicht altersschmuddelig und oben rechts in Bleistift als
Bestands-Zeichen der Bibliothek Dedi
B/2 // Nr 10. bzw. Binden 200 E(uro) 1. VIII. 2012,
so auf letzter Vorsatz-Seite oben links und betreffend Fertigung von Transkriptionslasche + Schuber sowie namentlich die unter optischem Aspekt umgekehrte Neueinhängung der Handschrift in ihren alten Einband, kenntlich an zwei nun ungenutzt gebliebenen Heftlöchlein.
Die Einbanddeckel, namentlich der nun rückseitige, teils fleckig und leicht begriffen sowie mit einigen teils Wurmfraß geschuldeten Ausbrüchen. Ebenfalls begriffen und ein wenig ausgeblichen der Rücken bei kleiner Ausbesserung des jetzt unteren Kapitals sowie kaum erkennbarem, punktuellem Durchbruch im Bereich besagter ursprünglicher Heftung. Einband-Gesamteindruck: patinahaft-proper und solchermaßen gern angeschaut.
Und zur Sache selbst 2019-frisch der Klappentext zu Gerhard Seibolds Der Wappenbrief-Zweibänder:
» Bis zum Ende der Monarchie im deutschsprachigen Raum (1918) blieben diese Urkunden unter heraldischen, rechtlichen, politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Aspekten
für die Menschen – Verleiher wie Empfänger – von großer Bedeutung. «
Ob für letzteren seinerzeit – siehe oben. Für handverlesene Kenner und Sammler aber bis heute
die einzigartige
kaiserliche Trouvaille
— wie dergleichen Ridingerianum auch nur annähernd
weder Schwerdt noch Baron Gutmann (Schwarz)
und all den andern Großen als
Blaue Mauritius
an sich zu bringen je vergönnt gewesen —
zum Werk
» Eine(s) der grössten Künstler seiner Zeit … «
(Nagler, Monogrammisten, II [1860], 1740).
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wobei Ridinger sich ins Buch der Geschichte eintrug.
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- Ellen Spickernagel, Dem Auge auf die Sprünge helfen – Jagdbare Tiere und Jagden bei Johann Elias Ridinger, in Bühler-Dietrich + M. Weingarten (Hrsg.), Topos Tier. Bielefeld 2016, S. 123.↩
- Gg. Aug. Wilh. Thienemann, Leben und Wirken des unvergleichlichen Thiermalers und Kupferstechers Johann Elias Ridinger mit dem ausführlichen Verzeichniss seiner Kupferstiche, Schwarzkunstblätter und der von ihm hinterlassenen grossen Sammlung von Handzeichnungen. Leipzig 1856.↩
- Catalog einer Sammlung von Original-Handzeichnungen … Leipzig, Weigel, 1869.↩
- Gg. Christoph Kilian (1709 Augsburg 1781), Kupferstecher, Künstler-Biograph und Sammler. Verfasser der anonymen 1764er Manuskript-Aufzeichnung zum Leben R.’s als einziger zeitgenössischer, von der eine abgeänderte und gekürzte Version in der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (Leipzig, Dyck, 1766, Bd. II/1, SS. 137-145) erschien, gezeichnet mit »K.«, der sich dort einen Schüler R.’s nennt (»wie denn der Verf. dieser Nachricht selbst einen Winter lang das Glück seines Unterrichts genossen hat«, S. 142). Von Th. unentschlüsselt geblieben, gibt sich der Autor in der bei jenem – wie auch seitens der Ridinger-Söhne im Vorspann zum von ihnen herausgegebenen väterlichen Kolorierten Thier=Reich – abgedruckten, bis nach R.’s Ableben fortgeführten Vollversion gleichwohl zwecks Bestärkung seines Urteilsvermögens durch Verweis auf seine »starke(n) Sammlungen von französischen, niederländischen, welschen und deutschen Kupferstichen«, wie von ihm besessen, zu erkennen. Siehe hierzu im einzelnen Th. namentlich Seiten I f. + XVI. – Vgl. auch Th.-B. XX [1927], 293 f.↩
- Anton von Barth, Kurzgefaßte Geschichte der Stadt Augsburg … Augsburg 1834, SS. 88-95.↩
- ADB, a. a. O., S. 224.↩
- Erwin Schmidt, Die Hofpfalzgrafenwürde an der hessen-darmstädtischen Universität Marburg/Gießen, als Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek Gießen 23. 1973, S. 20.↩
- Martin Elias + Joh. Jac. Ridinger (Hrsg.), Das in seiner großen Mannigfaltigkeit und in seinen schönen Farben nach Original-Zeichnungen geschilderte Thier-Reich / Representations des Animaux selon leur grande varieté et leurs belle couleurs suivant des desseins (sic!) originels. Augsburg 1754 – ca. 1773, SS. 5 ff. – Hier derzeit aufliegend im absoluten Ausnahme-Explr. der Slgen. eines Anonymus nach 1856 (»… ein complettes Exemplar in solcher Erhaltung ist wohl noch nie in den Handel gekommen …«), Dr. Alfred Ritter von Pfeiffer (1858-1913; »Herrliches Exemplar … In dieser Vollständigkeit und Erhaltung von allergrößter Seltenheit«, so Boerner 1914), Ethel Mary von Weinberg, geb. Villers Forbes aus dem Hause der Earls of Granard (1866-1937), Richard Baron von Szilvinyi (1899-1966), Liselotte Baronin von Szilvinyi, geb. von Schnitzler (1910-2008).↩
- Lüder H. Niemeyer, Der verharmloste Ridinger. Kunsthistorischer Beitrag auf dem Festakt der TU Dresden zum 300. Ridinger-Geburtstag 1998.↩
- Ulrike Bodemann in Metzner-Raabe, Das Illustrierte Fabelbuch, 1998, Bd. II (Bodemann), 123.I: »Keine Ähnlichkeiten mit bisher bekannten Fabelillustrationen. Riesige Bildformate werden fast völlig von der Darstellung eines zentralen Moments der Fabelerzählung gefüllt.«↩
- Barthold Heinrich Brockes; Jurist, Senator und Freund Ridinger’s, 1680 Hamburg 1747.↩
- Um dann im Zusammenspiel mit dem Ältesten, Martin Elias, mittels vier weiterer in ihrem Gesamtauftritt abgeschwächt daherzukommen.↩
- Peter G. Tsouras, Lone Stand in India als Titelgeschichte von Military History XXI, 2, 2004.↩
- Siehe die chronologische Erscheinensabfolge bei J. H. Niemeyer, Johann Elias Ridinger’s Wundersamste Hirsche – Entste-hung und Werdegang einer Folge, hierselbst 1998.↩
- So Ridinger mit Brief vom 29. Juni 1748 gelegentlich eines nur ungern angenommenen neuerlichen Malauftrags des Zarenhofs an Wille in Paris: »ich Habe nimmermehr geglaubet das ich den pensel noch einmahl ergreiffen würde«. Immerhin hatte er noch »vor 2 Jahren ein paar quader« dorthin gesandt (Decultot et. al. [Hrsg.], Johann Georg Wille / Briefwechsel, Tübingen 1999, SS. 76 f.).↩
- Hier aufliegend in ihren originalen Kupfer-Druckplatten wie zeitgenössischen Abdrucken, das Abendblatt auch apart. – »Ein Schlüsselbild (von Ridinger’s) physikotheologischen bzw. natur-philosophischen Grundhaltung ist das Abendblatt aus der Serie der Vier Tageszeiten der Hirsche … die in den Anblick des abendlichen Sternenhimmels versunken sind, was als Beweis für R.s Überzeugung zu werten ist, dass die Natur eine Offenbarung der Weisheit, Allmacht und Güte Gottes sei … Spickernagel (Ellen Sp., Dem Auge auf die Sprünge helfen. Jagdbare Tiere und Jagden bei Johann Elias Ridinger, in Annette Bühler-Dietrich, Michael Weingarten (Hrsg.), Topos Tier: Neue Gestaltungen des Tier-Mensch-Verhältnisses, Bielefeld 2015) untersucht R.s Werke im Kontext der aus dem Protestantismus entstehenden Physikotheologie« (U. Heise in Allgemeines Künstler-Lexikon, Bd. 98 [2017], SS. 472 f.).↩
- Das in Öl und Wappen seitlich blickende stehende Tier dort auf dem Abendblatt, siehe Abbildung.↩
- Johann Jacob Haid (Kleineislingen 1704 – Augsburg 1767), »Vater des Joh. Elias H. … lernte bei J. El. Ridinger in der Malerei … erkannte aber bald sein Geschick für Schwarzkunst und wandte sich dieser zu. Blieb noch einige Jahre bei Ridinger … Wahrscheinlich ist er der Augsburger Maler Haid, von welchem die beiden Brüder Daniel Nicolaus und Gottfried Chodowiecki in der Emailmalerei um 1745 unterrichtet wurden. Gründete einen großen Verlag … H. ist vor allem bekannt durch seine Porträtstiche« (Thieme-Becker XV [1922], 481). – Siehe dessen »Programmatische(s) (Ridinger-)Schabkunstblatt« (Gode Krämer) nach Joh. Gg. Bergmüller, letzterer wiederum auf Haid’s entsprechendes eigene Öl-Ausführung (Kunstsammlungen Augsburg, Inv.-Nr. 8610) zurückgriff, per hiesiger Ref.-Nrn. 15.185/€ 1200 + 16.272 mit selten schöner Provenienz-Geschichte nahe dem unsterblichen Beethoven zu € 2300.↩
- Erinnernd aus jüngerer Zeit an Willem Sandberg (Amersfoort 1897 – Amsterdam 1984) als dem international großen Manne der Moderne des Amsterdamer Stedelijk Museums. Der das Recht hatte, sich ›Jonkheer‹ zu nennen, davon aber grundsätzlich keinen Gebrauch machte (Herbert Frank, Die das Neue nicht fürchten – Manager der Kunst. Düsseldorf/Wien 1964).↩
- Siehe hierzu Thienemann, a. a. O., S. XVI, Fußnote 2.↩